Zusätzliche Regelungen in der Rentenversicherung: Die "Vollrenten-Klausel"
Soweit bei Ihnen die oben skizzierten Voraussetzungen vorliegen, sind Sie im Grundsatz – die Einschränkungen für Rentner finden Sie weiter unten – in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Keine Bange: Das bedeutet nicht, dass Sie selbst Geld in die Rentenkasse einzahlen müssen. Die Beiträge werden von der Pflegekasse des Pflegebedürftigen übernommen. Die Versicherungspflicht der Betroffenen wird im SGB VI (gesetzliche Rentenversicherung) in Paragraf 3 ("Sonstige Versicherte") geregelt und zwar unter der Nr. 1a. Dort werden die unter Punkt 1 skizzierten Voraussetzungen nochmals zusammengefasst.
Doch allein ein Blick auf Paragraf 3 SGB VI reicht nicht. Denn jetzt kommt der Haken: "Versicherungspflicht" tritt nicht ein soweit "Versicherungsfreiheit" besteht. Versicherungsfrei sind zum Beispiel Beamte und – in vielen Fällen – Altersrentner. Doch die Regelungen hierzu haben sich durch das Flexirentengesetz in diesem Jahr erheblich verändert.
Unterschied: Pflegende Angehörige vor und nach der regulären Altersgrenze
Die (Neu-)Regelungen sind ziemlich kompliziert – und möglicherweise vor Ort bei den für die Beitragszahlung zuständigen Pflegeversicherungen unbekannt. Es kann also gut sein, dass Sie, wenn Sie als pflegender Angehörige Ihre – zum Teil beträchtlichen – Rentenansprüche durchsetzen wollen, auf die genauen Gesetzesformulierungen hinweisen müssen. Genau die finden Sie im Folgenden:
Vor der regulären Altersgrenze
Paragraf 5 Absatz 4 Nr. 1 regelte in der bis Ende 2016 geltenden Fassung, dass Personen, die "eine Vollrente wegen Alters beziehen" generell versicherungsfrei waren. Das galt dann auch für pflegende Angehörige. Dadurch wurde ausgeschlossen, dass nicht nur reguläre Altersrentner, sondern auch Bezieher eines vorgezogenen Altersruhegeldes bis Ende 2016 aufgrund ihrer Pflegetätigkeit zusätzliche Rentenansprüche erwerben konnten. Jedenfalls dann nicht, wenn sie eine Vollrente bezogen. Anderes hätte nur bei einer Teilrente gegolten. Nach den bis zum 30. Juni 2017 geltenden Regelungen (siehe unten) war damit jedoch mindestens ein Verzicht auf ein Drittel der Rente verbunden. Wer eine Altersrente in Höhe von 900 Euro brutto erhielt, musste damit monatlich mindestens auf 300 Euro Rente verzichten. Daher spielte diese Teilrenten-Fallkonstellation bislang keine Rolle.
Seit dem 1. Januar 2017 gilt jedoch: Vollrentner sind erst "nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wurde" versicherungsfrei. Derzeit (für den Jahrgang 1952) liegt das reguläre Rentenalter bei 65 Jahren und sechs Monaten. Das bedeutet: Pflegende Angehörige, die ein vorzeitiges Altersruhegeld als Vollrente beziehen, sind erst dann versicherungsfrei, wenn der Monat, in dem sie 65 Jahre und sechs Monate geworden sind, abgelaufen ist. Bis dahin erwerben sie – soweit die anderen Voraussetzungen erfüllt sind – Rentenansprüche.
Das bedeutet: Alle Bezieher
- einer Altersrente für Schwerbehinderte,
- einer Altersrente für langjährig Versicherte oder
- einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte
können, soweit sie einen Pflegbedürftigen betreuen, durch ihre Pflegetätigkeit zusätzliche Rentenansprüche erwerben. Das gilt bis Ablauf des Monats, in dem sie die reguläre Altersgrenze erreichen. Bis dahin steht der Bezug einer Vollrente der Versicherungspflicht als Pflegeperson nicht entgegen.
Für Erwerbsminderungsrentner galt dies bisher schon und gilt weiterhin.
Nach der regulären Altersgrenze
Nach Erreichen der regulären Altersgrenze, kommt die oben bereits zitierte "Vollrenten-Klausel" von Paragraf 5 Absatz 4 SGB VI ins Spiel. Diese Regelung ermöglicht – wie bereits erwähnt – pflegenden Teilrentnern grundsätzlich den Erwerb neuer Rentenansprüche.
Interessant ist dies neuerdings deshalb, weil der Gesetzgeber die Teilrentenvarianten zum 1. Juli 2017 völlig flexibilisiert hat. Regelungen hierzu finden sich in Paragraf 42 SGB VI. Absatz 1 regelt unverändert: "Versicherte können eine Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) oder als Teilrente in Anspruch nehmen."
Entscheidend ist nun aber, wie das Gesetz Teilrente definiert. Die Regelung hierzu findet sich in Paragraf 42 Absatz 2 SGB VI. Bis Ende Juni 2017 hieß es dort: "Die Teilrente beträgt ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel der erreichten Vollrente." Diese Regelung wurde gestrichen. Stattdessen heißt es in der seit 1.7.2017 geltenden Fassung: "Eine unabhängig vom Hinzuverdienst gewählte Teilrente beträgt mindestens 10 Prozent der Vollrente."
Damit wird nun nur noch eine Untergrenze (10 Prozent) der Teilrente festgelegt. Wer beispielsweise einen Rentenanspruch in Höhe von 1.000 Euro brutto hat, kann damit keine Teilrente in Höhe von weniger als 100 Euro brutto wählen. Eine Obergrenze ist damit jedoch nicht festgelegt. "Versicherte können die Höhe der Teilrente grundsätzlich frei als vollen Prozentanteil wählen. Eine Teilrente muss mindestens 10 Prozent der Vollrente betragen (§ 42 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Sie kann höchstens in Höhe von 99 Prozent in Anspruch genommen werden", heißt es hierzu in den gemeinsamen rechtlichen Arbeitsanweisungen der deutschen Rentenversicherung zu Paragraf 42 SGB VI.
Das bedeutet für die vielen Altersrente beziehenden pflegenden Angehörigen: Soweit sie bereits das reguläre Rentenalter erreicht haben, müssen sie lediglich auf ein Prozent ihrer Rente verzichten. Damit beziehen sie eine Teilrente und erwerben durch die Zeit der Pflege neue Rentenansprüche.
Ein Beispiel hierzu: Nehmen wir Elvira Meyer aus Hamburg. Die Rentnerin ist 67 Jahre alt und bezieht monatlich 683 Euro brutto Altersrente. Seit zwei Jahren betreut sie ihren Ehemann, der nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt ist und neuerdings in Pflegegrad 4 eingestuft ist. Da sie bei der Pflege keine professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, erhält ihr Mann das volle Pflegegeld in Höhe von 728 Euro. Das Geld fließt in ihre gemeinsame Haushaltskasse. Eine Aufstockung ihrer Altersrente könnte sie gut gebrauchen, bei Pflegegrad 4 könnte ein Pflegejahr ihr ein monatliches Rentenplus von 20,90 Euro bringen. Dies gilt jedoch nicht für Elvira Meyer. Denn die 67-Jährige erhält bereits die volle Altersrente. Verzichtet sie auf ein Prozent ihrer Rente, so sinkt diese um genau 6,83 Euro auf 676,17 Euro. Die Folge: Schon ein einziges Jahr Pflege würde ihr ein Rentenplus von monatlich 20,90 Euro – und zwar lebenslang – bringen. Das in einem Kalenderjahr erwirtschaftete Rentenplus wird am 1. Juli des Folgejahrs gutgeschrieben. Wenn ihr Ehemann später doch ins Pflegeheim ziehen muss, kann Frau Meyer wieder auf die Vollrente umsteigen.
"Sowohl der Wechsel in eine Teilrente als auch der spätere Wechsel in die Vollrente können formlos beantragt werden", erklärte die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Anfrage. Die Rente wird dann jeweils ab dem Folgemonat umgestellt.
Hineweis: Renten gehören zum steuerpflichtigen Einkommen. Dank einiger Freibeträge müssen Renten jedoch in vielen Fällen noch nicht voll versteuert werden. Wie die unterschiedlichen Renteneinkünfte besteuert werden und wann Renten steuerfrei sind, erklärt Ihnen ein weiterer Ratgeber von uns. Für ihre Steuererklärung müssen Rentner die Anlage R ausfüllen. Für Rentner, die eine Auslandsrente bezeiehen, gelten wiederum gesonderte Steuerregelungen.