Wo liegt der Hauptunterschied zwischen Value und Growth?
Die beiden Strategien stehen stellvertretend für unterschiedliche Anlegertypen. Klassische Value-Aktien sind solide Werte aus Industriebranchen wie Handel, Banken, Automobil oder Lebensmittel. Sie sind daher eher etwas für vorsichtigere Anleger. Risikofreudigere Investoren setzen dagegen auf Wachstumsfirmen aus den Bereichen Internet oder Bio- und Gentechnologie.
Der Hauptunterschied zwischen beiden Strategien besteht daher in der Auswahl der Aktien . Value-Investoren suchen dabei gezielt nach unterbewerteten Titeln. Sie betrachten dazu verschiedene Kennzahlen. So deutet etwa ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) auf eine Unterbewertung hin. Die KBV gibt den Kurs der Aktie im Verhältnis zum Buchwert an – also zum Eigenkapital, das auf eine Aktie entfällt. Ein niedriges KBV zeigt an, dass die Aktie im Verhältnis zu den Vermögenswerten des Unternehmens günstig ist. Auch ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (Aktienkurs im Verhältnis zum Gewinn je Aktie) und eine hohe Dividendenrendite ( Dividende im Verhältnis zum Aktienkurs) können auf eine Unterbewertung hindeuten. Die Analyse dieser Kennzahlen heißt „ Fundamentalanalyse “.
Im Gegensatz zu den Value-Firmen sind die Aktien von Wachstums-Unternehmen durch hohe Bewertungen an der Börse gekennzeichnet: also ein hohes Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert-Verhältnis. Die Dividendenrendite ist in der Regel gering – wenn es überhaupt eine Dividende gibt. Viele Wachstumsunternehmen schütten keine Gewinne aus, oder sie machen sogar Verluste. Damit ist es vor allem die Fantasie des Anlegers, die Hoffnung auf Gewinne in der Zukunft, die den Kurs der Wachstums-Aktien steigen lässt. Das bedeutet gleichzeitig: Wird die Fantasie enttäuscht, kann der Kurs auch schnell wieder abstürzen. Die Wachstumsstrategie kann daher mit einigen Risiken verbunden sein.
Was haben Value und Growth gemeinsam?
In Zeiten technologischer Umbrüche durch Internet und soziale Medien löst sich die Unterscheidung zwischen Value- und Growth-Titeln zunehmend auf. Damit werden auch die Übergänge zwischen den beiden Strategien fließend. So kann ein ehemals typisches Wachstumsunternehmen zu einem Value-Investment werden, wenn es im Laufe der Zeit seine Marktposition behauptet und seine Gewinne verbucht.
„Microsoft, Amazon oder Facebook – das sind für uns mittlerweile Value-Werte“, sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei der Fondsgesellschaft Acatis, die gezielt in Value-Titel investiert. Einem Unternehmen etwa, das stabile Gewinne erwirtschaftet, gleichzeitig jedoch stark expandiert, könnte man auch eine hohe Bewertung zugestehen, meine Anlagestrategie reiße. So war die Google-Holding Alphabet einst ein typischer Wachstumswert. Mittlerweile ist das Internet-Unternehmen zum Medien-Konzern geworden – und „als solches ein typischer Value-Wert“, sagt Riße.
Welche Investoren stehen für den Value- und welche für den Growth-Ansatz?
Der Vater des Value-Investing ist der US-amerikanische Aktienanalyst und Investor Benjamin Graham (1894-1976). In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er mit Investitionen in unterbewertete Unternehmen erfolgreich. Graham begründete dabei auch die Fundamentalanalyse, mit deren Hilfe er erfolgversprechende Firmen identifizierte.
Einer von Grahams Schülern ist Warren Buffett . Er ist heute der wohl bekannteste Value-Anleger weltweit. Der US-Starinvestor fungiert als Wertpapieranalyst bei Grahams Broker-Unternehmen Graham-Newman. Mit einem Vermögen von mehr als 110 Milliarden US-Dollar zählt Buffett heute zu den reichsten Menschen der Welt .
Im Portfolio von Buffetts Investment-Gesellschaft Berkshire Hathaway finden sich traditionelle Value-Titel wie die Bank of America, die Lebensmittelkonzerne Coca Cola und Kraft, die Fluggesellschaft American Airlines oder der Automobilhersteller General Motors. Der Titel mit dem stärksten Gewicht im Portfolio ist allerdings der Computerkonzern Apple – eine Aktie, die man früher zweifelsohne zu den Wachstums-Aktien gezählt hätte. Auch die Aktie des Online-Riesen Amazon hat Buffett im Depot . Das zeigt: Auch ein ausgewiesener Value-Investor wie Buffett setzt mittlerweile auf ehemals typische Growth-Titel.
Das Pendant zum Value-Erfinder Benjamin Graham ist der US-Investor Thomas Rowe Price jr. (1898-1983). Er gilt als Vater des „Growth Investing“. Price gründete 1937 das Unternehmen T. Rowe Price. Die Investmentgesellschaft besteht bis heute. Unternehmensgründer Price glaubt daran, dass Anleger eine höhere Rendite erwirtschaften können, wenn sie in Firmen aus wachstumsstarken Branchen investieren.
Die Unternehmen sollten schneller wachsen, wenn die Inflation und die Gesamtwirtschaft. Der Preis ist niedrig, daher der Wert auf hohe Gewinnmargen. Die Firmen sollten aber auch gut gemanagt werden. Und: Sie sollten neue Produkte entwickeln, um auf zukunftsträchtigen Märkten eine Alleinstellung zu erlangen. Eine herausragende Forschung war für ihn und deshalb ebenfalls wichtig für den Erfolg einer Wachstumsfirma.
Value oder Growth: Welche Strategie bietet die bessere Performance?
Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Welche Strategie erfolgreicher ist, hängt auch von den Rahmenbedingungen des Aktienmarktes ab – also etwa von der Entwicklung der Wirtschaft oder der Zinsen. So haben sich seit der Finanzkrise 2008 bis zum Beginn der Corona-Pandemie 2020 die Wachstumswerte deutlich verbessert als klassische Value-Aktien. Der Unterschied zwischen der Bewertung von Value- und Growth-Aktien wuchs in dieser Zeit so stark an, wie seit der Technologie-Blase Anfang der 2000er Jahre nicht mehr.
Seit Ende 2020 haben sich jedoch nach einer Analyse der Investmentbank JP Morgan Value-Aktien deutlich aufgeholt. Ein Grund dafür sind die wirtschaftlichen und zinspolitischen Rahmenbedingungen: In schwierigen wirtschaftlichen Zeiten mit hoher Inflation und steigende Zinsen greifen Investoren eher auf solidere Unternehmen zurück, die auch in einem Abschwung stabile Gewinne versprechen. Das sind etwa Unternehmen aus den Value-Branchen Energie, Banken oder Basiskonsumgüter. Sie erwirtschaften oft auch in zunehmenden Phasen gute Gewinne.
Dennoch meint die Kapitalmarktstrategie: „Wert wird so, wie es früher war, nicht mehr zurückkommen.“ Denn technologische Umbrüche werden es auch in Zukunft immer häufiger geben – und immer schneller. Erfolgreich sind daher auch in den klassischen Branchen eher jene Unternehmen, die auf neue Technologien setzen. Das könnten Unternehmen sein, die in der Landwirtschaft mit Drohnen arbeiten, um Düngemittel einzusetzen. Auch das Thema regenerative Energien ist interessant oder etwa die Elektromobilität . Mein Fazit: „Es geht darum, Unternehmen zu identifizieren, die es verstehen, sich die technologischen Umbrüche der modernen Welt zunutze zu machen.“