

Auf einen Blick


Die Frage stellen sich viele ältere Menschen: Wie sollen sie mit ihrer eigenen Immobilie im Alter verfahren? Denn einerseits wollen sie möglichst lange im eigenen Haus leben. Andererseits sind damit auch Verpflichtungen verbunden. Und: Häufig spielt der Gedanke eine Rolle, die Immobilie noch zu Lebzeiten den Kindern zu überlassen – etwa über eine Schenkung. Möglichkeiten, dies umzusetzen, sind das Wohnrecht und das Wohnungsrecht. Beide Begriffe werden nicht selten synonym verwendet. Es gibt jedoch deutliche Unterschiede. In diesem Ratgeber erklären wir Ihnen, was Wohnrecht und Wohnungsrecht sind, was sie für Wohnberechtigte und Eigentümer bedeuten – und wann es sinnvoll ist, ein lebenslanges Wohnrecht zu vereinbaren.
Wohnrecht bezeichnet das Recht, Räume oder eine ganze Wohnung kostenlos zu bewohnen, ohne Eigentümer, Mieter oder Pächter der Immobilie zu sein.
Beispiel: Frau Müller verschenkt ihr Haus an ihre Tochter und erhält im Gegenzug ein Wohnrecht. Da die Tochter und ihre Familie das Haus ebenfalls bewohnen möchten, bezieht sich das Wohnrecht auf ein Zimmer. Dieser Raum steht Frau Müller zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Außerdem hat sie ein Mitnutzungsrecht an Küche, Badezimmer und Garten.
Das Wohnrecht wird häufig angewendet, wenn aufgrund der Räumlichkeiten keine andere Regelung infrage kommt. Verankert ist es im § 1090 BGB. Das Wohnrecht ist ein Recht, das nur die im Vertrag genannten Personen haben. Zum Beispiel kann das Wohnrecht nicht auf einen Lebensgefährten ausgedehnt werden. In der Regel nutzen die Eigentümer die Immobilie ebenfalls. Es muss genau festgelegt sein, welche Räume oder Teile der Immobilie ganz oder teilweise alleine nutzbar sind. Das Wohnrecht kann sowohl lebenslang als auch zeitlich befristet sein, etwa bei Pflegekräften. Zur Abgrenzung zum Wohnungsrecht wird manchmal der Begriff einfaches Wohnrecht verwendet.
Wer über ein lebenslanges Wohnrecht spricht, meint meistens das Wohnungsrecht. Hier steht die Immobilie dem Wohnberechtigten zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Das Wohnungsrecht wird normalerweise im Grundbuch eingetragen.
Beispiel: Frau Müller hat ihre Immobilie gegen ein Wohnungsrecht verschenkt. Dadurch hat sie das alleinige Nutzungsrecht an der Immobilie. Sie kann weitere Personen in der Wohnung oder im Haus aufnehmen, etwa einen Lebenspartner oder Pflegekräfte. Allerdings gibt es ein paar Einschränkungen. Frau Müller darf keine Untervermietung vereinbaren oder auch Umbauten veranlassen. Die Immobilie ist zudem in einem zeitgemäßen Zustand zu halten.
Geregelt ist das im § 1093 BGB. Das Wohnungsrecht gilt lebenslang, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Handelt es sich bei dem Objekt um ein Mehrfamilienhaus, gilt das Wohnungsrecht nur für eine Wohnung. Es ist dann selbstverständlich, die dazugehörigen Räume wie Keller, Garage oder Garten alleine zu nutzen. Für Gemeinschaftsräume wie einen Fahrradkeller gilt dies anteilig. Das Wohnungsrecht erlischt im Normalfall mit dem Tod.
Um ein Wohnrecht wirksam werden zu lassen, ist ein Vertrag notwendig. Normalerweise findet dieser Vorgang im Rahmen einer Schenkung eines Hauses oder einer Wohnung an Kinder statt. Die genauen Regelungen hängen von der Immobilie und den Wünschen ab. So ist es auch möglich, dass nur einzelne Räume dem Wohnrecht unterliegen oder in einem Zweifamilienhaus eine der Wohnungen. So erben die Kinder etwa das Haus und räumen den Eltern gleichzeitig ein lebenslanges Wohnrecht ein.
Neben dem lebenslangen Wohnrecht hat sich auch ein zeitlich befristetes Wohnrecht etabliert. Häufig wird dies vereinbart, um Pflegekräfte oder pflegende Angehörige abzusichern, solange die zu pflegende Person noch lebt. Das Wohnrecht kann auch mit dem Wechsel in ein Pflegeheim enden.
Im Rahmen einer Schenkung ist es meist wichtig, den Wert des Wohnungsrechts zu berechnen. Gerade wenn es sich um eine teure Immobilie handelt, hat das Finanzamt einen Blick auf die Schenkung. Ein größeres Einfamilienhaus – oder auch ein Mehrfamilienhaus – unterliegt häufig der Besteuerung. Durch die Einräumung eines Wohnungsrechts kann sich die Steuerlast erheblich reduzieren oder fällt im besten Fall gar nicht an. Durch Abzug des lebenslangen Wohnrechts vom Verkehrswert wird der steuerrelevante Wert einer Immobilie ermittelt. Die Berechnung an sich ist nicht einfach, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab. Um den Wert des Wohnrechts oder Wohnungsrechts zu ermitteln, sind folgende Punkte unverzichtbar:
Das Ergebnis der Berechnung ist die Wertminderung durch das eingetragene Wohnrecht.
Eine 75-jährige Eigentümerin, vergibt ihre Wohnung gegen Wohnungsrecht an die 42-jährige Tochter. Der Verkehrswert der Immobilie beträgt 250.000 Euro. Die ermittelten Mieteinnahmen betragen nach der ortsüblichen Miete 600 Euro im Monat und damit 7.200 Euro im Jahr. Der sogenannte “Vervielfältiger” des Kapitalwertes ergibt sich aus der konstant angenommenen Verzinsung von 5,50 Prozent pro Jahr und der zu erwartenden Lebensdauer von aktuell 13,01 Jahren. Der durch das Bundesfinanzministerium ausgewiesene Vervielfältiger ist 9,373. Dieser Vervielfältiger wird mit den jährlichen Mieteinnahmen multipliziert
7.200 Euro x 9,373 = 67.485,60 Euro.
Dieser berechnete Wert ergibt den Wert des Wohnungsrechts. Daraus lässt sich schließlich der Nettowert der Immobilie ermitteln:
Bruttowert der Immobilie – Wert des Wohnungsrechtes = Nettowert der Immobilie
250.000 Euro – 67.485,60 Euro = 182.514,40 Euro.
Dieser Wert ist relevant für eine Schenkungs-/Erbschaftssteuer. Das Bundesfinanzministerium stellt auf seiner Homepage eine Tabelle bereit, in der man die Werte für den Vervielfältiger des Kapitalwertes in Abhängigkeit des Lebensalters und der Lebenserwartung nachlesen kann.
Die Beantwortung dieser Frage hängt häufig davon ab, wer das Gebäude nutzt – und wie. Werden etwa zu pflegende Angehörige oder Pflegekräfte in den Haushalt aufgenommen, so ist das Wohnrecht ausreichend. Das Wohnrecht sollte so vereinbart sein, dass im Todesfall, bei Umzug in ein Pflegeheim oder der Aufgabe der Betreuung der Person das Wohnrecht automatisch erlischt. Leben Sohn oder Tochter gemeinsam mit dem Eigentümer unter einem Dach, wird bei einer Schenkung häufig ebenfalls ein Wohnrecht vereinbart. Hier ist das Wohnungsrecht kaum umsetzbar, da es sich nicht um eine abgeschlossene Wohneinheit handelt. Ungewöhnlich ist es in diesem Zusammenhang, das Wohnrecht zeitlich zu befristen oder an andere Bedingungen zu knüpfen. Das Wohnrecht ist die schwächere Rechtsposition gegenüber dem Wohnungsrecht.
Das Wohnungsrecht berechtigt den Nutzer, die Immobilie umfassend, ohne den Eigentümer zu nutzen. Genutzt wird das Wohnungsrecht im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Die Kinder bekommen die Immobilie geschenkt, ohne ein Nutzungsrecht zu haben. Nicht nur der Wohnungsberechtigte kann über das Wohnungsrecht abgesichert werden. So kommt es durchaus vor, dass die Regelung auch für den Lebenspartner gilt. Auch im Vertrag zur Immobilienverrentung ist das Wohnungsrecht Bestandteil des Vertrages.
Zu Lebzeiten des oder der Wohnungsberechtigten ist die Immobilie für Eigentümer nicht frei verfügbar. Sie sind sozusagen Zaungäste außerhalb der eigenen vier Wände. Dennoch haben sie zahlreiche Pflichten zu erfüllen. So ist die Grundsteuer zu entrichten und für Abfall- und Kanalgebühren aufzukommen. Außerdem sind die Beiträge zu einer Wohngebäudeversicherung zu leisten. Hinzu kommen eventuelle Aufwendungen für Sanierungen und Modernisierungen. Dabei können diese aber nicht gegen den Willen der Wohnberechtigten durchgeführt werden. Ein Verkauf der Immobilie ist kaum möglich, allenfalls mit sehr hohen Abschlägen.
In der Praxis gibt es nicht selten Abwandlungen von den Regeln, häufig beteiligen sich Wohnungsberechtigte an den Kosten. So werden die öffentlichen Abgaben und/oder die Beiträge für die Wohngebäudeversicherung übernommen. Allerdings sollten abweichende Regelungen immer im notariellen Vertrag enthalten sein, um Streitigkeiten vorzubeugen.
Was genau unter Sanierung und Modernisierung fällt, sollte beim Notarvertrag definiert werden. Für den zeitgemäßen Unterhalt der Immobilie ist beim Wohnungsrecht der Wohnberechtigte zuständig, für alles Weitere wie Sanierungen oder Modernisierungen der Eigentümer. Heißt, für den Außenanstrich beim Haus ist der Wohnungsberechtigte zuständig, für die Dämmung des Hauses der Eigentümer. Bei unklaren Formulierungen drohen erfahrungsgemäß irgendwann Meinungsverschiedenheiten.
Wenn die betreffende Person das Wohnrecht nicht mehr ausüben kann und in ein Pflegeheim umziehen muss, entsteht eine neue Situation. Die Eigentümer sind nun verpflichtet, die ortsübliche Miete für Wohnung oder Haus an den Wohnberechtigten zuzahlen. Dies kommt dann den Kosten für das Pflegeheim zugute. Allerdings sind in der Praxis Regelungen nicht unüblich, wonach das Wohnungsrecht bei Umzug erlischt. In diesem Fall sind keine Zahlungen zu leisten.
Leibgeding – in Norddeutschland Altenteil – sind Abwandlungen des Wohnungsrechts. Neben dem Recht, bis zum Lebensende ein eigenständiges Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes zu bewohnen, umfasst das Recht einiges mehr. Im Normalfall ist auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Wasser, Strom und Heizung gemeint, die kostenlos vom Eigentümer zur Verfügung gestellt werden müssen. Hinzu können auch Pflegeleistungen und ein Taschengeld kommen. Da diese Regelung nur land- und forstwirtschaftliche Betriebe betrifft, hat dies heute mehr eine geschichtliche als eine praktische Bedeutung.
Sowohl in einem Vertrag zum Wohnrecht als auch zum Wohnungsrecht können bestimmte Bedingungen enthalten sein, die das Ende des Vertragsverhältnisses bedeuten. Typische Fälle sind:
Letztendlich ist entscheidend, was beide Vertragspartner schriftlich vereinbart haben. So kann auch festgelegt sein, dass nach einem vorübergehenden Wechsel der Wohnung das Wohnrecht bei Rückkehr wieder auflebt.
Grundsätzlich besteht hinsichtlich des Wohnrechts oder Wohnungsrechts Vertragsfreiheit. Das bedeutet: Beides kann ohne einen Notar vereinbart werden. Dann gilt dieser Vertrag allerdings nur gegenüber dem jetzigen Eigentümer. Verkauft dieser die Immobilie, so erlischt das Wohnrecht oder Wohnungsrecht automatisch, da dies in diesem Fall nicht übertragbar ist. In den meisten Fällen dürfte diese Regelung nicht den gewünschten Zweck erfüllen. Dann wird ein Notar zur Ausgestaltung und Beurkundung des Vertrags benötigt. Dieser veranlasst auch die Eintragung in die Abteilung II des Grundbuches beim Grundbuchamt. Damit ist gewährleistet, dass selbst beim Verkauf alle Rechte erhalten bleiben.
Wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart wurde, kann sowohl beim Wohnrecht als auch beim Wohnungsrecht die Immobilie nicht vermietet werden.
Im Rahmen der Schenkungssteuer sind sowohl das Wohnrecht als auch das Wohnungsrecht anrechenbar. Die eingeräumten Rechte verringern den Wert der Immobilie. Durch diesen Effekt lässt sich die Schenkungssteuer bei Kindern häufig vermeiden. Bei entfernteren Verwandten zumindest reduzieren. Wichtig in diesem Zusammenhang: Das unentgeltliche Recht, in einer Immobilie zu wohnen, ist ebenfalls eine Schenkung, allerdings dürfte im Fall der Übertragung an Kinder keine Schenkungssteuer anfallen. Anders sieht dies aus, wenn die Immobilie verkauft und dann ein kostenloses Wohnrecht eingeräumt wird. In diesem Fall gilt: Die fiktive Mieteinsparung ist steuerpflichtig.

