Schon mal was von Coworking-Spaces gehört? Viele meinen, dahinter verbirgt sich ein modernes Gemeinschaftsbüro, in dem sich Start-ups einmieten und die Mitarbeiter in Turnschuhen zur Arbeit und am Kicker auf gute Ideen kommen. Das mag eine Variante von Coworking sein, aber es ist bei Weitem nicht alles.
Coworking entwickelt sich gerade zu einem zentralen Baustein der Arbeitswelt. Selbstständige, Start-ups oder mittelständische Unternehmen nutzen Coworking-Spaces und schätzen die gute Infrastruktur der Büroausstattung, die vielfältige und flexible Nutzung ohne langfristige Bindung und den Community-Gedanken dahinter. Der Markt ist in den vergangenen Jahren gewachsen, für so manche Eigentümer von Gewerbeimmobilien ist Coworking eine attraktive Alternative geworden, leerstehende Büroräume einem neuen Konzept zuzuführen – in der Stadt genauso wie auf dem Land. Vor allem auf dem Land erweist sich Coworking auch als Chance, eine Region zu beleben.
Wir haben uns umgeschaut und zusammengetragen, was sich hinter Coworking alles verbirgt, wie es funktioniert, was es kostet und welche Vorteile Nutzer und Anbieter daraus ziehen können.
Was ist ein Coworking Space?
Entstanden ist die Idee des Coworking in den USA, in San Francisco, in den späten 1990er-Jahren. Der Beginn des Coworkings ist mit dem Namen Brad Neuberg verbunden, der auf der Suche nach einer alternativen Arbeitsstätte war, nicht alleine zu Hause und nicht im herkömmlichen Büro. Der neue Arbeitsplatz sollte vielmehr Austausch unter Fachleuten ermöglichen, hier sollten Ressourcen und Ideen geteilt werden. Die „Hat Factory“, der erste offizielle Coworking-Space, wurde 2005 von Neuberg in San Francisco eröffnet. Hier konnte man Schreibtische und Büroinfrastruktur nutzen, ohne sich langfristig an Mietverträge binden zu müssen und fand obendrein ein inspirierendes Arbeitsumfeld. Das war der Start.
Coworking: Ein neues Bedürfnis zu arbeiten
Inzwischen ist Coworking längst nach Europa gelangt – auch nach Deutschland. Hier trifft Coworking auf ein neues Bedürfnis zu arbeiten, das die Coronapandemie noch einmal vorangetrieben hat: Menschen arbeiten nicht mehr fünf Tage die Woche je acht Stunden am selben Schreibtisch im Büro, das mit Grünpflanzen und Familienfotos im Bilderrahmen dekoriert ist.
Für Arbeitende: Heute arbeiten Menschen in vielen Branchen mobil und hybrid. Sie teilen sich die Arbeitszeit selbst ein, unterbrechen die Arbeit, um die Kinder vom Kindergarten abzuholen, verlegen Arbeitseinheiten auf Abendstunden, um für die Familie da zu sein oder Angehörige zu pflegen, sie arbeiten manche Tage im Homeoffice, aber kommen auch zu Meetings ins Büro, sie sind viel unterwegs und brauchen ihren Schreibtisch manchmal nur sporadisch. Coworking trifft dieses Bedürfnis, maximal flexibel zu arbeiten.
Für Unternehmen: Auch für Unternehmen ist Coworking interessant. Denn Büroflächen zu mieten, zu kaufen, zu bauen und zu unterhalten verursacht immense Kosten. Viele Unternehmen haben deshalb schon längst ihre Abteilungen umstrukturiert: Feste Arbeitsplätze gibt es nicht mehr, jeder arbeitet da, wo gerade Platz ist, es sind ohnehin nicht alle jeden Tag anwesend – immer ist jemand im Urlaub, krank, im Homeoffice oder auf Dienstreise. Auch hier kann Coworking eine Lücke schließen – ein Unternehmen bucht genau so viele Arbeitsplätze, wie gerade nötig sind und kann sogar Pendlern einen wohnortnahen Arbeitsplatz in einem Coworking-Space bieten, sofern der Mitarbeitende nicht täglich im Unternehmen präsent sein muss.
Herzstück: der Community-Gedanke
Ganz wichtig ist der Community-Gedanke, der zum Coworking gehört. Das heißt nicht nur, Arbeitsplätze samt Infrastruktur zu nutzen. Coworking ist eigentlich eine „soziale Bewegung“, sagt Dina Sierralta, Vorstandsmitglied der German Coworking Federation e.V., dem Bundesverband Coworking Spaces Deutschland. Es geht auch um die Menschen, die dort zusammenkommen: Sich kennenlernen, sich austauschen, neue Verbindungen knüpfen, die nach dem „Prinzip des glücklichen Zufalls“ zustande kommen, ist das Herzstück von Coworking. „Der Raum ist das Werkzeug dafür“, sagt Sierralta.
So funktionieren Coworking Konzepte
In Coworking-Spaces bucht man Arbeitsplätze inklusive einer gesamten Büroinfrastruktur. Nutzer können diese stundenweise, tageweise, monatsweise, manchmal auch länger buchen – je nach Bedarf und was der Anbieter zur Verfügung stellt. Die meisten Anbieter haben verschiedene Tarife gestaltet. Die Angebote sind vielfältig, jeder Anbieter verfolgt ein eigenes Konzept.
- Es gibt einzelne Arbeitsplätze in einem Großraumbüro. Das Modell wird oft Flex-Desk genannt.
- Es gibt auch abgeschlossene Einzelbüros.
- Müssen größere Gruppen untergebracht werden, können größere Flächen nach individuellem Bedarf belegt werden.
- Zusätzlich stehen Konferenz- oder Seminarräume für Meetings zur Verfügung.
- Manche Anbieter bieten auch rein virtuelle Büros, sogenannte „Virtual Offices“ an: eine Adresse mit Briefkasten, unter Umständen auch mit einer Paketannahme für Menschen, die vorwiegend mobil arbeiten.
Infrastruktur
Coworking-Spaces bieten darüber hinaus eine komplette Infrastruktur und Ressourcen für modernes Arbeiten: High-Speed-Internetverbindung, Drucker, Scanner, Schließfächer, moderne Präsentationstechnik, Whiteboards, Monitore.
Service
Auch Service gehört dazu – von Kaffeemaschine bis Sanitäranlagen ist alles vorhanden, was man an weichen Faktoren für einen Arbeitstag benötigt. Es gibt vielleicht sogar Sofas und einen Kicker, denn auch mal abschalten und ausruhen, mal auf andere Gedanken kommen, ist Teil eines Arbeitstages. Die Öffnungszeiten sind oft rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr.
Community
Viele Coworking-Spaces bieten zusätzlich Netzwerkaktivitäten an, um den Community-Gedanken mit Leben zu füllen. Es gibt Feierabend-Treffen für gemeinsamen Austausch, Seminare oder Workshops zu bestimmten Themen oder Weiterbildungsangebote. Gerade in den Metropolen mit einem größeren Angebot gibt es solche, die sich auf bestimmte Branchen spezialisiert haben: etwa auf die Finanzbranche oder Kreative. Oft kann es aber auch gerade reizvoll sein, Menschen zu treffen, die aus einer ganz anderen Branche kommen – vielleicht ergeben sich völlig neue interdisziplinäre Ansätze. In vielen Coworking-Spaces gibt es sogenannte Community-Manager, die als Ansprechpartner da sind und helfen, sich untereinander zu vernetzen.
Wo finde ich Coworking Spaces?
Coworking gibt es inzwischen überall in Deutschland. In den Städten ist das Angebot natürlich größer als im ländlichen Raum, aber auch da gibt es Angebote. Als Nutzer kann es sinnvoll sein, gezielt dort zu suchen, wo man arbeiten möchte. Eine Google-Suche mit dem Suchbegriff „Coworking Spaces“ hilft weiter. Wer auf Dienstreise ist und arbeiten muss, sucht ebenfalls vor Ort. Ebenso gibt es eine stetig wachsende Landkarte, die „Coworking-Map“, die Coworking-Spaces in Deutschland verortet – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Wer kann Coworking nutzen?
Im Folgenden führen wir einige Nutzerprofile auf, für die Coworking-Spaces geeignet sein können. Die Auflistung liefert aber nur eine Idee, wie vielfältig das Angebot genutzt werden kann. Es gibt sicher noch viel mehr Beispiele von Nutzergruppen.
- Coworking-Spaces sind natürlich für Freiberufler und Selbstständige interessant, die eine Schreibtischtätigkeit haben, üblicherweise von zu Hause aus arbeiten und die zusätzlich – oder als Ersatz – zum heimischen Arbeitsplatz eine Alternative suchen, die sie unter Menschen bringt und Austausch ermöglicht.
- Coworking-Spaces sind genauso für die Handwerkerbranche interessant: Ein Schreiner wünscht sich vielleicht einen ruhigen Ort mit Büroausstattung für die monatliche Abrechnung oder Kundengespräche.
- Coworking-Spaces werden auch von Unternehmen auf vielfältige Weise genutzt: Um weit verstreut arbeitenden Mitarbeitern ein Büro zur Verfügung zu stellen und ihnen lange Pendlerwege zu ersparen; um einem international zusammengestellten Team für eine Projektarbeit Räumlichkeiten zu bieten; um einer Führungsriege eines Unternehmens einen neutralen Ort zu bieten, um eine Strategie zu besprechen oder ein Projekt zu planen; um Vorstellungsgespräche in ein modernes Büroumfeld auszulagern; um Platzmangel im eigenen Unternehmen auszugleichen etc.
- Manche Berufsgruppen wie Anwälte nutzen manchmal nur die repräsentativen Meetingräume eines Coworking-Spaces für Mandantengespräche oder Mediationen.
- Studentinnen und Studenten buchen sich einen Schreibtisch, um in Ruhe an ihrer Bachelor- oder Masterarbeit zu arbeiten.