


Auf einen Blick
Gemeinschaftliche Wohnformen liegen im Trend. Der Wunsch, mit anderen zusammenzuwohnen, in Geselligkeit zu leben und sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen, wird in der Gesellschaft immer stärker spürbar. Das Mehrgenerationenwohnen – mehrere Generationen, vom Kind bis zum Senior, leben unter einem Dach zusammen – ist eine besonders nachgefragte Variante des gemeinschaftlichen Wohnens.
Es sind gesellschaftliche Veränderungen, die die Nachfrage steigen lassen: Familien leben nicht mehr in der Großfamilie, die in einem starken Miteinander den Alltag gestemmt hat. Vielmehr wohnen die Generationen immer häufiger getrennt voneinander, weil die Kinder weit verstreut in aller Welt leben und arbeiten. Das hat nicht selten eine große Vereinsamung und Überforderung zur Folge – von alten Menschen, die alleine wohnen, und auch jungen Familien, die ihr Zusammenleben mit Job und Kindern alleine meistern müssen. Ebenso regt sich vermehrt der Wunsch, selbstbestimmter zu leben, eigene Wohnstrukturen aufzubauen und nicht abhängig von einem Wohnungsmarkt zu sein. Nicht zuletzt sind es auch steigende Grundstücks-, Bau- und Mietpreise, die dazu führen, dass sich Menschen zusammentun wollen, weil es sich in Gemeinschaft oftmals günstiger wohnen lässt und sie sowohl als Eigentümer oder auch Mieter einer Genossenschaft mehr Wohnsicherheit haben und nicht dem freien Markt ausgeliefert sind.
Beim Mehrgenerationenwohnen leben mehrere Generationen unter einem Dach: Studenten, Familien mit kleinen Kindern, Senioren – es gibt keine feste Regel, wer sich hier zusammenfindet. Das kann eine einzelne Großfamilie sein, in der die junge Familie mit den Großeltern zusammenlebt. Es kann aber auch ein Projekt sein, bei dem sich verschiedene Familien, Paare und Alleinstehende zusammenfinden und in einem Wohnkomplex zusammenleben.
Beim Mehrgenerationenwohnen hat jeder Haushalt seinen Privatbereich, in der Regel eine abgeschlossene Wohnung. Zusätzlich gibt es Gemeinschaftsräume. Dahinter steht die Idee, Ressourcen zu teilen: eine Werkstatt, die alle gemeinsam nutzen, einen Mehrzweckraum, der für Treffen der Hausgemeinschaft, für Feiern oder auch Turnstunden genutzt werden kann, ein gemeinsames Wohnzimmer oder auch eine zusätzliche gemeinsame Wohnküche für Treffen. Es gibt keine genau definierten Vorgaben, wie ein Wohnprojekt angelegt sein muss. Jede Wohngruppe entscheidet selbst, was ihr wichtig ist und wie viel Gemeinschaft es geben soll.
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Damit kommen wir auch schon zum wichtigsten Aspekt des Mehrgenerationenwohnens. Hier geht es um mehr, als in einzelnen Wohnungen unter einem Dach zu leben und Ressourcen zu teilen. Der Gemeinschaftsgedanke ist das Kernstück der Wohnform. Die Idee ist, sich gegenseitig im Alltag zu unterstützen: Die Älteren passen mal auf die Kinder auf, die Jüngeren kaufen dafür für die Älteren ein. Ein Mitbewohner der Hausgemeinschaft kann gut Fahrräder reparieren, dafür ist der andere ein Gartenfan und pflegt die Beete. Der eine bietet Hausaufgabenbetreuung für die Kinder an, dafür hat ein anderer handwerkliches Geschick und übernimmt Hausmeisteraufgaben. Jeder bringt sich auf seine Weise ein, es ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Dabei geht es nicht nur um Hilfe. Es geht auch darum, in Geselligkeit zu leben, gemeinsam zu grillen, Karten zu spielen und vieles mehr. Dem Mehrgenerationenwohnen sind in der Ausgestaltung kaum Grenzen gesetzt.
Fazit: Beim Mehrgenerationenwohnen finden sich unterschiedliche Bedürfnisse unter einem Dach zusammen und jeder bringt sich entsprechend seiner Fähigkeiten ein. Es ist Wohnen in Privatsphäre, aber mit Gemeinschaftssinn, solidarisch und nachbarschaftlich.
Es gibt zwei Gruppen, die sich vermehrt für Mehrgenerationenwohnen interessieren: junge Familien und ältere Menschen. Es sind die beiden Altersgruppen, die sich in ihrer jeweiligen Lebenssituation am ehesten nachbarschaftliche Unterstützung und Austausch sowie ein Leben in Geselligkeit wünschen.
Grundsätzlich eignet sich die Wohnform für alle Menschen, die sich gut aktiv in eine Gemeinschaft einfügen können, die tolerant sind und andere Lebensmodelle respektieren. Wer sich als Einzelgänger bezeichnen würde, wird vermutlich nicht im Mehrgenerationenwohnen heimisch werden. Auch Egoismus und Selbstprofilierung sind K.-o.-Kriterien für so ein Projekt.
Gut zu wissen: Wer sich auf den Weg macht, Informationen zu Mehrgenerationenwohnen zu finden, stößt auch häufig auf den Begriff Mehrgenerationenhaus. Tatsächlich verbergen sich verschiedene Konzepte dahinter. Auch beim Mehrgenerationenhaus geht es um das generationsübergreifende Miteinander, jedoch nicht um das Zusammenwohnen. Mehrgenerationenhäuser sind Begegnungsstätten für Jung und Alt, die zum Austausch und gegenseitiger nachbarschaftlicher Unterstützung einladen: von Hausaufgabenbetreuung, über Sprachkurse für Migranten, Krabbelgruppen bis hin zu Unterstützungsangeboten für Pflegebedürftige. Jedes Haus – und es gibt über 500 in Deutschland – hat sein eigenes Konzept. Wo es überall Mehrgenerationenhäuser in Deutschland gibt, finden Sie über den entsprechenden Link am Ende des Textes.
Mehrgenerationenwohnen bietet gerade für junge Familien viele Vorteile, hier ein paar Aspekte:
Mehrgenerationenwohnen bietet auch für ältere Menschen viele Vorteile:
Neben vielen Vorteilen bietet Mehrgenerationenwohnen natürlich auch zahlreiche Herausforderungen.
Es gibt viele verschiedene Modelle des Mehrgenerationenwohnens. Welches eine Gruppe für ihr Projekt wählt, entscheidet mit über die Finanzierung.
Grundsätzlich ist es natürlich möglich, ein bestehendes Wohnhaus umzubauen und mit mehreren Parteien zu nutzen. Eine Familie, die sich entscheidet, mit den Großeltern zusammenzuziehen, hat vielleicht am ehesten die finanziellen Möglichkeiten, eine bestehende Immobilie umzubauen, sodass jeder seinen Privatbereich hat.
Findet sich aber eine Gruppe aus vielen verschiedenen Kleinfamilien, Paaren und Einzelpersonen zusammen, werden eher Neubauprojekte verwirklicht. Je nachdem welche finanziellen Möglichkeiten die Gruppe hat, kann man Mehrgenerationenwohnen als Eigentumsprojekt oder auch als Mietprojekt beziehungsweise als Genossenschaft umsetzen. Denkbar ist ein Mietprojekt auch über ein Investorenmodell: Ein kommunales Wohnungsbauunternehmen beispielsweise verwirklicht Mehrgenerationenwohnen als Investor und vermietet die Wohnungen.
Genossenschaften haben in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt. Während Mitglieder einer Baugemeinschaft Eigentümer sind, sind die Mitglieder einer Genossenschaft Mieter. Bei der Genossenschaft bleiben Grundstück und Wohnungen im Eigentum der Gemeinschaft. Das Wohnrecht in einer Genossenschaftswohnung gilt lebenslang.
Eine Gruppe kann selbst eine Genossenschaft gründen. Dazu sind mindestens drei Personen nötig. Je mehr Mitglieder es gibt, desto günstiger wird natürlich der Bau. Einfacher – und auch günstiger – ist es, sich einer bereits bestehenden Wohnungsbaugenossenschaft anzuschließen. Es gibt durchaus Genossenschaften, die Bestandsimmobilien haben, aber auch immer wieder Neubauprojekte anschieben oder es einer Gruppe ermöglichen, eine Kooperation einzugehen. Allerdings sind diese Angebote noch nicht die Regel.
Der Erwerb eines Grundstücks unter der Trägerschaft einer Baugemeinschaft oder einer Genossenschaft ist eine der größten Hürden für das Verwirklichen eines Mehrgenerationen-Wohnprojektes. Grundstückspreise und Baukosten sind exorbitant gestiegen und in Ballungsräumen wie München ist es kaum möglich, auf dem freien Markt ein bezahlbares Grundstück für ein Wohnprojekt zu finden. Deshalb sind solche Projekte in der Regel auf die Unterstützung von Kommunen angewiesen, die solche Projekte fördern. Kommunen sind, sofern sie überhaupt Grundstücke haben, häufiger gewillt, ein Grundstück an eine Genossenschaft zu vergeben (zum Beispiel in Erbpacht),als es an eine private Baugemeinschaft zu verkaufen. Kommunen vergeben solche Grundstücke oft über ein Konzeptverfahren: Gruppen bieten ein Konzept an, das für die Gemeinde einen sozialen Mehrwert darstellt, etwa weil eine bestimmte Anzahl von Menschen mit einer Behinderung oder ältere Menschen mit Hilfebedarf einbezogen werden oder Ähnliches.
Das jeweilige Trägermodell des Mehrgenerationenwohnens entscheidet über die Art der Finanzierung des Projekts. Bei einem Eigentumsprojekt muss jedes Gruppenmitglied selbst für seinen Anteil die Finanzierung sicherstellen. Jedes Mitglied einer Baugemeinschaft kann die Finanzierung über die eigene Bank regeln, oder aber die Baugemeinschaft wendet sich gemeinsam an eine Bank. Von Vorteil ist es, wenn die Bank schon Erfahrung im Umgang mit Baugemeinschaften mitbringt.
Nutzen Sie den Baufinanzierungsrechner auf biallo.de. Hier können Sie berechnen, welche Investition Sie sich leisten können und welche Ratenzahlungen auf Sie zukommen. Fördermöglichkeiten durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) werden dabei berücksichtigt.
Die Finanzierung über ein Genossenschaftsmodell funktioniert über den Erwerb von Anteilen. Um Mitglied einer Genossenschaft zu werden, muss man Anteile erwerben, deren Höhe je nach Wohnort zwischen 500 und 3.000 Euro kosten. Für die eigentliche Wohnung müssen dann noch einmal Pflichtanteile erworben werden, die vergleichbar sind mit einer Mietkaution. Hier fallen dann abermals Kosten an – zwischen 500 und bis zu geschätzten 2.000 Euro pro Quadratmeter, je nach Ort und Wohnlage.
In jedem Bundesland gibt es eigene Fördermöglichkeiten für Mehrgenerationenwohnprojekte, die natürlich an diverse Auflagen gebunden sind. Das Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. – ein überregionaler Zusammenschluss von Menschen und Organisationen mit Interesse an selbst organisierten und gemeinschaftlichen Wohnprojekten – hat mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Förderdatenbank angelegt, in der Fördermöglichkeiten der Bundesländer je nach Trägerform zusammengetragen sind. Den Link finden Sie am Ende des Textes.
Bei der Förderung werden häufig spezielle Teilbereiche eines Wohnprojekts gefördert. Diese können je nach Bundesland und Kommunen sehr unterschiedlich sein. Dabei kann es zum Beispiel um
gehen und vieles mehr. Gruppen müssen genau die Voraussetzungen studieren und prüfen, ob ein Förderaspekt für sie infrage kommt.
Zusätzlich können Gruppen, die Mehrgenerationenwohnen verwirklichen wollen, möglicherweise auch zinsgünstige Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau nutzen. Der Förderschwerpunkt der KfW im Segment „Bauen“ liegt auf der Barrierereduzierung, der Energieeffizienz und den Wohneigentumsprogrammen. Gefördert werden Privatpersonen, Wohnungseigentümergemeinschaften, Wohnungsbauunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, sofern diese antragsberechtigt sind. Demnach können auch Mehrgenerationenwohnen-Bauprojekte unter diese Förderungen fallen. Die KfW bietet jedoch keine explizite Förderung für Mehrgenerationenwohnen-Bauprojekte an.
Je nach Ausrichtung des Wohnprojekts können folgende KfW-örderprogramme infrage kommen:
Es ist zu erwarten, dass sich diese Förderungen mit der Ampel-Koalition verändern.
Wer antragsberechtigt ist und welche Konditionen gelten, erfahren Sie unter dem jeweiligen Programm auf der Homepage der KfW. Einen Überblick über KfW-Förderprogramme liefert ein weiterer Biallo-Ratgeber.
Bei der Finanzierungsplanung sollte man sich nicht unbedingt auf die zinsgünstigen Darlehen der KfW verlassen. Ist das Budget eines Programms ausgeschöpft, stehen die Programme auch kurzfristig nicht mehr zur Verfügung.
Wer sich für Mehrgenerationenwohnen interessiert, muss daraus ein Hobby machen. Es geht nicht nur darum, eine Gruppe zu finden, mit der man sich ein gemeinsames Leben vorstellen kann. Diese Gruppe muss auch gemeinsam ein Konzept erarbeiten, wie sie wohnen möchte. Dann ist ein Grundstück zu finden, was oftmals die größte Herausforderung darstellt. Schließlich muss ein Bau geplant, finanziert und durchgeführt werden. Sie sehen – da steckt jahrelange, zeitintensive Arbeit drin.
Mehrgenerationenwohnen braucht eine Gruppe, ein Grundstück, Geld und vor allem gute Beratung! Denn von existierenden Projekten und Menschen, die solche Findungs- und Bauprozesse schon öfter begleitet haben, lässt sich viel lernen und es lassen sich viele Fehler vermeiden. Es gibt in den Bundesländern, Städten und Kommunen inzwischen eine ganze Reihe von Beratungsstellen, die zu gemeinschaftlichen Wohnprojekten beraten. Sie sind die erste Anlaufstelle. Auf der Informationsplattform Wissen, Information, Netzwerke – WIN für Gemeinschaftliches Wohnen, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend findet sich eine Datenbank mit Beratungsstellen in den jeweiligen Bundesländern. Beim Beratungsangebot ist zumindest die Erstberatung oft kostenlos.
Grundsätzlich gibt es zwei Wege, sich dem Thema Mehrgenerationenwohnen zu nähern: Entweder hat man bereits eine bestehende Gruppe von Menschen, die gemeinsam leben wollen und nun Beratung suchen zur Konzepterarbeitung und Realisierung. Oder Sie sind noch eine Einzelperson, die eine Gruppe sucht. Dann können Sie über Projektbörsen nach Mitstreitern suchen. Solche Projektbörsen finden Sie zum Beispiel auf der Homepage der Stiftung Trias oder auf der Homepage des Forums Gemeinschaftliches Wohnen e.V.
Die Umsetzung eines Mehrgenerationenwohnprojekts verläuft in Phasen.