Im Interview mit Biallo.de: Reimund Stewen, Verband Privater Bauherren (VBP), Leiter des Regionalbüros Köln (Quelle: VPB).
Mit welchen konkreten Vorstellungen vom ökologischen Bauen kommen Eigenheimbesitzer in spe zu Ihnen?
Reimund Stewen: Ökologisches Bauen ist für die meisten ein vager Begriff. Viele sagen, sie wollen wenig Energie verbrauchen und keine Schadstoffe im Haus haben. Wünschenswert wären Grundüberlegungen, die in Richtung nachhaltiges Bauen gehen. Für die große Mehrzahl der Bauherren ist etwa die Vorstellung, was mit den Baustoffen passiert, wenn das Haus mal abgerissen wird, noch völlig abwegig. Recycelbare Materialien werden aber auch für den Bau immer wichtiger. Ein anderer Punkt, der viel zu selten gesehen wird, ist der Herstellungsprozess. Der schlägt sich oft mit fast 50 Prozent in der Energiebilanz von Häusern über 30 bis 40 Jahre nieder; was die CO2-Emissionen angeht, macht er rund 80 Prozent aus.
Woran sollten sich Häuslebauer bei Auswahl des Planers, Bauträgers oder Hausherstellers halten?
Stewen: Wer ökologisch oder nachhaltig bauen will, sollte sich am Markt vortasten, das heißt: fragen, fragen, fragen! Zahlreiche Anbieter behaupten, Spezialisten auf diesem Gebiet zu sein, sind es aber nicht. Unter den spezialisierten Anbietern gibt es große Unterschiede. Die Energiethematik beherrschen alle. Nachhaltiges Bauen – von der Planung bis zur Ausführung und im Hinblick auf Nutzungsweise – bieten nur wenige. Von Bauträgern oder Fertighausherstellern erhält man in der Regel eine Baubeschreibung. Die gilt es, sehr genau zu lesen und gemeinsam mit unabhängigen Bauberatern, beispielsweise vom Verband Privater Bauherren, zu prüfen.
Was sollte man vor allem hinterfragen – die Bauweise, bestimmte Bauprodukte, das Heizsystem?
Stewen: Konstruktion und Gebäudehülle sind der Schlüssel zu der Geschichte. In einem Massivhaus mit Betondecke hat man lange Neubaufeuchtigkeit, es dauert sieben Jahre bis so eine Decke wirklich trocknet. Wenn die Wärmedämmung dann noch mit einem, was heute oft der Fall ist, Wärmdämmverbundsystem aus Polystyrol und Kunstharz erfolgt, ist das der Wohnqualität alles andere als förderlich. So wie man auf seine Haut achtet und die Qualität von Textilien, sollte man sich um die Haut beim Wohnen kümmern.
Und was wäre eine nachhaltige Gebäudehaut?
Stewen: Zu hinterfragen ist: Welche Eigenschaften hat sie als Membran? Und woraus besteht sie, also enthält sie Schadstoffe, die die Innenraumluft beeinträchtigen können, und ist sie recycelbar? Nicht nur Putz- und Wandfarben, sondern auch Dämmstoffe können ausgasen, mangelnde Diffusionsfähigkeit kann zu schlechter Luftqualität führen. Häuslebauern mit ökologischem Anspruch stehen viele Möglichkeiten offen, zum Beispiel Holzbau mit mineralischem Dämmstoff. Eine solche Dämmung ist diffusionsoffen – im Gegensatz zu einer Polystyrol-Kunstharz-Haut. Aber, um bei dem Beispiel zu bleiben, Holzkonstruktion plus Dämmung ist noch ein bisschen wenig: Man sollte auch an eine ökologische Kühlung denken, etwa mit Lehmsteinen als Speichermasse.
Wie viel mehr Geld müssen Häuslebauer mitbringen, die ökologisch und nicht konventionell bauen wollen?
Stewen: Nach meinen Erfahrungen kommt ein ökologisches Haus um zehn bis zwölf Prozent teurer. Rechnet man bei einem konventionellen Haus die Kosten hinzu, die die Entsorgung des Sondermülls nach dem Abriss verursacht, dann ergibt sich unter dem Strich kein Unterschied.
Bei welchen Bauprodukten kann man guten Gewissens am ehesten sparen?
Stewen: Viele Konstruktionen sind überdimensioniert, und das extrem. Ich rate zur Minimalisierung. Der Bauherr hört es natürlich nicht so gern, wenn der Berater fragt: Brauchst du wirklich so viele Räume, so viel Fläche? Als Hintergrund: Vor 20 Jahren betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf 40 Quadratmeter, heute sind 46 bis 47 Quadratmeter. Fast die gesamte Wohnbautätigkeit seit dem Jahr 2000 lässt sich auf diesen Rebound-Effekt zurückführen. Weil alle mehr wollen, brauchen wir mehr Wohnungen. Nachhaltig bauen heißt, weniger Fläche verbauen. Der Häuslebauer kann da viel Geld sparen – Geld, das er in ökologische Materialien investieren kann.
Es gibt Banken, die vergeben je nach Nachhaltigkeit des Gebäudes geringere Baukreditzinsen. Die staatliche KfW-Bank vergibt vergünstigte Darlehen je nach Energieeffizienz. Welchen Standard würde Sie empfehlen?
Stewen: Den höchsten, den KfW-Standard 40. Das ist eine gute Zukunftsinvestition, besonders vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung den Primärenergieverbrauch in Gebäuden bis 2050 um rund 80 Prozent gegenüber 2008 senken will. Seit Januar haben wir die Bepreisung von CO2. Pro Tonne sind es jetzt 25 Euro. Das spüren Eigenheimbesitzer noch kaum. Der Staat wird dieses Instrument hochfahren, da steckt eine Zeitbombe drin, vor allem für Besitzer von Altbauten, die saniert werden müssen. Aber, um das noch einmal zu betonen: Die energetische Betrachtung allein reicht nicht, der KfW-Ansatz greift zu kurz. Ein energieeffizientes Passivhaus, das nur wenig diffusionsfähig ist, kommt dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht nah.