Grippeviren, Windpocken und Brechdurchfall nehmen keine Rücksicht auf Meetings, Geschäftsreisen oder wartende Kundschaft. Krank werden kann jeder mal. Doch im Gegensatz zu einem Erwachsenen können kranke Kinder nicht allein daheim im Bett bleiben. Sie brauchen Pflege und Betreuung. Eltern kennen das Phänomen: Abends ein gesundes Kind ins Bett zum Schlafen gelegt, am nächsten Morgen ein krankes Kind geweckt. Der Blick in fiebernde Augen belastet viele Mütter und Väter gleich zweimal. Der erste Gedanke: „Armes Würmchen, was hast Du nur?“, der zweite: „In der Arbeit anrufen, absagen – schon wieder.“ Der Krankenstand eines Kindes betrifft in der Regel immer einen Elternteil, der zur Betreuung bei dem kleinen Patienten bleibt.
Virusinfekte bei Kindern haben 2022 nach Einschätzung der Techniker Krankenkasse (TK) die Anträge für Kinderkrankengeld rapide ansteigen lassen. Mit rund 660.000 erreichte die Zahl der Anträge auf das krankheitsbedingte Kinderkrankengeld bei der TK im Jahr 2022 ein Rekordniveau.
Was gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn ihr Kind akut erkrankt? Unter welchen Voraussetzungen übernimmt die Krankenkasse einen Teil des Verdienstausfalls und zahlt Kinderkrankengeld? Diese und weitere Fragen beantworten wir in unserem Ratgeber.
Freistellung von der Arbeit: Darf ich zu Hause bleiben, wenn mein Kind krank ist?
Generell gilt: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, zu Hause zu bleiben, um ihr Kind zu pflegen, wenn es akut erkrankt ist“, sagt Jens-Arne Former. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München ergänzt, dass sich das aus dem Gesetz ergebe.
- Krankengeld bei Erkrankung des Kindes laut Paragraf 45 Abs. 3 SGB V,
- Ausschluss einer Leistungspflicht laut Paragraf 275 Abs. 3 BGB,
- kurzzeitige Arbeitsverhinderung laut Paragraf 2 Abs.1 Pflege ZG 2.
Diese Gesetze regeln eine unbezahlte Freistellung – nicht das Thema Lohnfortzahlung. „Wir müssen unterscheiden zwischen dem Recht auf Fernbleiben von der Arbeit und dem Anspruch auf eine Fortzahlung der Vergütung“, erklärt Former. „Ob ein Arbeitnehmer weiterhin Geld erhält, klären Sozialgesetzbuch (SGB) Paragraf 45 oder Paragraf 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).“
Kind krank: Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber?
Im BGB ist geregelt, dass ein Arbeitnehmer, der ohne sein Verschulden vorübergehend an der Dienstleistung verhindert wird, seinen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber behält. Kurzzeitig bedeutet in diesem Fall fünf Tage. Die Erkrankung des eigenen Kindes und dessen Pflege gilt als unverschuldetes Fernbleiben. Angestellte erhalten, greift der Paragraf 616 BGB, das volle Gehalt.
Was steht im Arbeitsvertrag?
Ausschlaggebend sei allerdings, was im Arbeitsvertrag steht, merkt Former an. Viele Arbeits- und Tarifverträge enthielten eine Ausschlussklausel, die so oder so ähnlich lauten kann: „(…) bei sonstiger Dienstverhinderung aufgrund eines in seiner Person liegenden Grundes besteht kein Anspruch des Mitarbeiters auf die Fortzahlung der Vergütung. Der Paragraf 616 BGB findet keine Anwendung“. Wer diesen Passus im Arbeitsvertrag stehen hat, verzichtet mit Unterschrift auf die Lohnfortzahlung. Es kann aber die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit dem Kinderkrankengeld einspringen.
- Lesetipp: Auch wenn Sie nur den Mindestlohn verdienen, nur Teilzeit oder in einem Minijob arbeiten, sollten Sie trotzdem versuchen, sich eine Altersvorsorge aufzubauen. Von uns erhalten Sie Tipps, wie Sie mit wenig Geld fürs Alter sparen können.
Kinderkrankentage: Wie viele gibt es?
Bedingt durch Neuregelungen während der Corona-Pandemie konnten bis Ende 2023 gesetzlich krankenversicherte Eltern je gesetzlich krankenversichertem Kind für 30 Arbeitstage Kinderkrankengeld beantragen. Bei Alleinerziehenden waren es 60 Arbeitstage. Bei mehreren Kindern bestand der Anspruch je Elternteil bis zu 65 Arbeitstage. Für Alleinerziehende mit mehreren Kindern galten als Maximum 130 Arbeitstage.
Kinderkrankentage 2024
2024 und 2025 können Elternteile jeweils für bis zu 15 Arbeitstage pro Jahr und pro Kind unter zwölf Jahren Kinderkrankengeld beziehen. Alleinerziehende erhalten für bis zu 30 Arbeitstage das Kinderkrankengeld. Hat eine Familie mehrere Kinder, so gilt bis Ende 2025, dass Kinderkrankengeld für alle Kinder zusammen längstens für 35 Arbeitstage pro Elternteil und Jahr gezahlt wird. Für Alleinerziehende maximal für 70 Arbeitstage.
Die Kinderkrankentage können pflegende Eltern für einzelne Tage nehmen. Einen Anspruch auf die unbezahlte Freistellung für einzelne Arbeitsstunden oder halbe Tage sieht die gesetzliche Regelung nicht vor.
Kinderkrankentage übertragen von einem auf den anderen Elternteil
Der Anspruch auf Kinderkrankentage kann mit Zustimmung der jeweiligen Arbeitgeber auf den jeweils anderen Elternteil übertragen werden. Etwa wenn ein Elternteil aus beruflichen Gründen seiner Arbeit unmöglich fernbleiben kann.
Beispiel: Ein Vater ist Malermeister und kann nicht im Betrieb fehlen. Er hat mit seiner Frau zwei Kinder. Der kleine Sohn hat sich beim großen Bruder mit Windpocken angesteckt. Die Mutter hat ihre Kinderpflegetage bereits aufgebraucht, als der ältere Sohn mit Windpocken der Schule fernbleiben musste. Die Frau ist als Kassenkraft im Einzelhandel eher abkömmlich als der Gatte. Sie beschließen, dass der Vater der Mutter „seine“ Pflegetage überträgt.
Voraussetzungen für die Übertragung:
- Der Freistellungsanspruch eines Elternteils ist bereits ausgeschöpft und der andere Elternteil kann die Betreuung des erkrankten Kindes aus beruflichen Gründen nicht übernehmen.
- Der Arbeitgeber stimmt einer weitergehenden Freistellung zu.
- Beide Elternteile sind in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert.
- Die Bestätigung der anderen Krankenkasse über den für dieses Kind bestehenden Freistellungsanspruch ist erfolgt.
Kinderkrankengeld: Anspruch und Höhe
Die Anzahl der Anträge auf Kinderkrankengeld stieg in den letzten Jahren an. 2020 gingen rund 354.000 Anträge auf Kinderkrankengeld ein. Im Jahr 2021 waren es rund 511.000.
„Auffällig ist, dass sich die hohen Zahlen durch das ganze letzte Jahr gezogen haben. Üblicherweise nehmen Eltern das Kinderkrankengeld vor allem in der Erkältungszeit zwischen Herbst und Frühjahr in Anspruch, im Sommer flachen die Antragszahlen ab“, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). „2022 haben wir aber auch zwischen Mai und Juli so viele Anträge erhalten, wie sonst nur in den Herbstmonaten." Die Geschlechterverteilung unter den Antragstellerinnen und Antragstellern bleibt seit Jahren konstant, heißt es in der Pressemeldung der TK. Mit rund 70 Prozent nehmen deutlich mehr Mütter als Väter das Kinderkrankengeld in Anspruch.
Wann zahlen Krankenkassen das Kinderkrankengeld?
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Kinderkrankengeld beantragen, wenn
- sie und das kranke Kind gesetzlich krankenversichert sind. Selbstständige können es beantragen, wenn sie gesetzlich mit Krankengeldanspruch krankenversichert sind.
- das Kind jünger als zwölf Jahre ist oder wegen einer Behinderung auf die Hilfe der Eltern angewiesen ist. Und das Kind im gleichen Haushalt lebt.
- ein Arzt mit einem Attest bestätigt hat, dass das Kind vom Elternteil betreut werden muss und daher nicht arbeiten kann.
- es im Haushalt niemanden gibt, der das Kind an Stelle des Arbeitnehmers betreuen kann.
Wie hoch ist das Kinderkrankengeld?
Die Höhe des Kinderkrankengeldes ist gesetzlich festgelegt. Es beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts, höchstens aber 120,75 Euro pro Tag. Davon gehen noch die Arbeitnehmeranteile für die Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ab. Kinderkrankengeld ist steuerfrei, unterliegt allerdings dem Progressionsvorbehalt.
- Biallo-Lesetipp: Eltern winken einige Steuervorteile, die sie geltend machen können. Dazu müssen sie in ihrer Steuererklärung die Anlage Kind für jedes Kind ausfüllen. Wir erklären, wie sich Familien und Alleinerziehende über ihre Steuererklärung einiges an Geld zurückholen können.
Neu seit 2024: Kinderkrankengeld bei stationärer Mitaufnahme
Diese Leistung wurde Anfang 2024 neu eingeführt. Es profitieren gesetzlich krankenversicherte Eltern. Und zwar, wenn sie sich als Begleitperson ihres unter zwölf Jahre alten erkrankten oder ihres behinderten Kindes im Krankenhaus oder in einer Reha-Einrichtung mit aufnehmen lassen. In dem Fall können sie ohne zeitliche Begrenzung Kinderkrankengeld erhalten. Dass die Mitaufnahme und Begleitung bei einem stationären Aufenthalt notwendig ist, wird bei Kindern unter neun Jahren als „unwiderlegbare Vermutung” vorausgesetzt. Bei älteren Kindern muss die medizinische Notwendigkeit von der stationären Einrichtung bescheinigt werden. Das Kinderkrankengeld, das während der stationären Begleitung gezahlt wird, wird nicht auf das sonstige Kinderkrankengeld angerechnet.
Kinderkrankengeld beantragen: Welche Bescheinigungen sind nötig?
Das Kinderkrankengeld kommt nicht automatisch, es muss bei der Krankenkasse beantragt werden. Dazu benötigen Eltern zwei Bescheinigungen.
Ärztliche Bescheinigung
Erstens eine ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung des Kindes. Inhaltlich belegt es, dass aufgrund Betreuung, Beaufsichtigung oder Pflege des Kindes ein Erscheinen am Arbeitsplatz nicht möglich ist. Diese Bescheinigung geht an Krankenkasse und Arbeitgeber.
Verdienstbescheinigung
Zweitens braucht man eine Verdienstbescheinigung, um das Kinderkrankengeld berechnen zu können. Die gibt es vom Arbeitgeber und geht an die Krankenkasse. Hat die gesetzliche Krankenkasse alle Nachweise, berechnet sie den Anspruch und überweist den Leistungsbetrag auf das Konto des pflegenden Elternteils.