Verwaiste Elefantenbabys in Südafrika aufziehen, Straßenkinder in Chile betreuen oder Bäume pflanzen in Nepal – statt beim Reisen nur die touristischen Highlights abzuklappern und sich in abgeschiedenen Ressorts verwöhnen zu lassen, heißt das Urlaubsmotto für immer mehr Menschen "Help and Travel". Sie wollen sich vor Ort ehrenamtlich engagieren und dabei tiefer in Kultur und Alltagsleben eintauchen und ihrem Gastland etwas zurückgeben.
Was ist Voluntourismus?
Voluntourismus ist die Kombination aus ehrenamtlichem Engagement (englisch: volunteering) und Urlaubsreise. Die Idee entstand in den USA und Kanada einerseits aus einem wachsenden Unbehagen am konventionellen Tourismus, der oftmals in einer Parallelwelt stattfindet, umweltzerstörerisch wirkt und von dem die Bevölkerung vor Ort kaum profitiert, und andererseits aus dem Wunsch, sich ehrenamtlich in den ärmeren Weltregionen zu engagieren, ohne gleich Job und Familie für Monate verlassen zu müssen. Inzwischen ist der Trend zum Urlaub mit gutem Gewissen in Europa angekommen und wurde sowohl von den Vermittlern von Freiwilligendiensten als auch der Reisebranche aufgegriffen.
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Kommerzielle Anbieter von Voluntourismus-Reisen
In der Reisebranche in Deutschland haben vor allem jene Unternehmen Voluntourismus-Reisen ins Programm aufgenommen, die sich bereits zuvor auf alternative Reiseformen für ein eher junges Publikum spezialisiert und teilweise auch Freiwilligendienste im Rahmen staatlicher Programme vermittelt haben. Dazu gehören STA Travel, AIFS, Rainbow Garden Village und TravelWorks. Im angelsächsischen Sprachraum, wo Voluntourismus bereits über eine längere Tradition verfügt, drängen aber auch die großen Reiseveranstalter auf den Markt. TUI ist beispielsweise mit der Tochter i-to-i dabei. Dadurch setzte ein regelrechter Boom von Voluntourismus-Reisen ein und am weitaus beliebtesten bei den Hilfswilligen waren bislang Arbeitseinsätze bei Kindern – mit verhängnisvollen Folgen, die man kennen sollte, bevor man sich für einen Hilfseinsatz entscheidet:
Voluntourismus Kritik
Untersuchungen in Kambodscha und Bali belegen, dass die Zahl der Kinderheime und Waisenhäuser parallel mit der der Touristen anstieg. In ihnen leben teilweise Kinder, die entführt oder mit Versprechungen von ihren Familien weggelockt wurden und zu Sklavenarbeit gezwungen werden. Obendrein dienen sie dazu, den Volunteer-Reisenden als bemitleidenswerte Geschöpfe vorgeführt zu werden, für die man gerne arbeitet und Geld spendet. Doch auch in realen, gut geführten Kinderheimen sollte man von Kurzzeiteinsätzen absehen. Denn eine Studie der südafrikanischen Professorin Linda Richter belegt, dass "Aufbau und Auflösung von Bindungen mit aufeinanderfolgenden Freiwilligen für kleine Kinder besonders schädlich" sind. Sie werden dadurch sehr verletzlich und das Risiko von psychosozialen Problemen steigt erheblich.
Volunteer Reise Auswahl: Grundsätze als Orientierung
Die britische tourismuskritische Organisation Tourism Concern fordert deshalb alle Reiseveranstalter und Freiwilligen-Organisationen auf, solche Hilfseinsätze aus ihren Programmen zu nehmen. Und auch TourismWatch vom Entwicklungsdienst Brot für die Welt und der Schweizer Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung schließen sich dieser Empfehlung an. Sie haben Grundsätze für Voluntourismus entwickelt, an denen man sich bei der Auswahl eines Veranstalters und eines Projektes orientieren kann. Die wichtigsten sind:
- Intensive Vorbereitung und Betreuung der Freiwilligen
- Enger Kontakt mit den aufnehmenden Organisationen
- Gegenseitiges Lernen und interkultureller Austausch als Ziel von Voluntourismus
- Keine Kurzzeiteinsätze in Kinderheimen
- Achtung der Rechte von Kindern
- Transparenz der Finanzen / Verteilung des Reisepreises
- Nach umweltgerechten und sozialverträglichen Kriterien gestaltete Angebote
- Bedarfsanalyse und Einsatz entsprechend qualifizierter Freiwilliger
- Keine Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte.
Ebenfalls hilfreich bei der Auswahl eines Voluntourismus-Reiseveranstalters sind Erfahrungsberichte auf der Internetseite und in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter.
Als Volunteering-Reise von vornherein unglaubwürdig sind Angebote, bei denen kurze Hilfseinsätze da und dort wie Streusel über den Urlaub verteilt sind. Damit kann keine sinnvolle Unterstützung geleistet werden – im Gegenteil. Ein solches Armuts-Sightseeing ist für die einheimische Bevölkerung erniedrigend und fördert und festigt Vorurteile auf beiden Seiten.
Gemeinnützige Anbieter und unabhängige Vermittler von flexiblen Freiwilligendiensten
Voluntourismus ist als eine neue Art von Pauschalreise zu bewerten und als solche immer kommerziell. Die Vermittler von Hilfsdiensten haben sich jedoch insofern auf den neuen Trend eingestellt, als sie kürzere und flexiblere Einsätze bieten, die es gleichzeitig erlauben, die nähere Umgebung zu erkunden.
freiwilligenarbeit.de
Auf dem großen unabhängigen Portal für die Vermittlung von Freiwilligendiensten freiwilligenarbeit.de wird beispielsweise die Mitarbeit in einer Seevögelauffangstation in Südafrika angeboten. An fünf Tagen in der Woche hilft man dort vor allem beim “Schutz der vom Aussterben bedrohten Seevögel, Einfangen und Pflegen von kranken und verletzten Tiere” und dem “Auswildern der gesunden Seevögel”. Dank der Unterbringung in der Nähe von Kapstadt sind hier vielfältige Freizeitaktivitäten geboten wie Schwimmen, Surfen, Safaris, Walbeobachtungstouren und andere Ausflüge oder einfach das Genießen der berühmten Stadt am Tafelberg. Der Einsatz ist ab sechs Wochen möglich. Auch beim Hilfseinsatz bei einem ökologischen Farmprojekt in den Anden Ecuadors sind Reisen und Erholung eingeplant, denn nach einem "leckeren Frühstück... arbeitest du etwa sechs bis acht Stunden täglich" von Montag bis Freitag. Danach kann man die "wundervolle Landschaft genießen, im Fluß baden oder eine Dusche im Wasserfall nehmen”.
Man findet auf freiwilligenarbeit.de aber auch besondere Pauschalreisen kombiniert mit ehrenamtlicher Arbeit genannt Voluntour oder Volunteer & Travel wie beispielsweise eine 14-tägige Nepalreise. Dabei “entdeckst du die Highlights Nepals und sammelst in sinnvollen Projekten gutes Karma”. Dafür zahlt man ab 990 Euro ohne Anreise. Für den Flug muss man beispielsweise ab München noch einmal mindestens 600 Euro dazu rechnen. Zum Vergleich: Für eine 16-tägige geführte Trekking-Reise werden beispielsweise bei Wikinger Reisen rund 2.885 Euro einschließlich Flug fällig, allerdings logiert man bei dieser auch um Fairness bemühten Reise etwas komfortabler.
auszeit-weltweit.de, volunation.de
Auf auszeit-weltweit gibt es ebenfalls viele Voluntourismus-Angebote, die man sich aus unterschiedlichen Bausteinen selbst zusammenstellen kann – in Thailand beispielsweise aus Einführungswoche, Projektarbeit, Rundreise, Trekking-Tour oder Beach Yoga. Und auch beim Vermittlungsportal VoluNation,das eng mit dem staatlich anerkannten Träger für Freiwilligenarbeit Sobia e.V. zusammenarbeitet, finden sich viele urlaubstaugliche Volunteering-Angebote für jedes Alter ab 17 Jahre und jeden Zeitrahmen.