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Lange Krankheit absichern

Von Krankengeld bis Berufsunfähigkeit – So schließen Sie Finanzlücken

Annette Jäger
Autorin
Aktualisiert am: 25.09.2024

Auf einen Blick

  • Eine lange Krankheit, die sogar in eine Berufsunfähigkeit mündet, kann existenzbedrohend sein. Lohnfortzahlung, Krankengeld und eine Erwerbsminderungsrente reichen meist nicht aus, um die Finanzlücke zu schließen.
  • Vor allem privat versicherte Selbstständige sollten sich gut absichern.
  • Eine Krankentagegeld- und eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichern den Einkommensverlust ab.
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Das erwartet Sie in diesem Artikel

  1. Lohnfortzahlung und Krankengeld bei langer Krankheit
  2. Wie hoch ist das Krankengeld?
  3. Wie sind Selbstständige bei langer Krankheit abgesichert? 
  4. Finanzlücken bei der Ansicherung von Langzeitkrankheiten
  5. Ist eine Krankentagegeldversicherung sinnvoll?
  6. Das leistet eine Erwerbsminderungsrente
  7. Berufsunfähigkeitsversicherung – Ab wann gilt man als berufsunfähig?
  8. Übergang zwischen Krankengeld und Berufsunfähigkeit
  9. Weitere Fragen zu Krankengeld und Berufsunfähigkeitsversicherung

Jeder rechnet damit, mal krank zu werden. Doch haben Sie sich auch schon einmal Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn Sie sehr lange krank werden, möglicherweise monatelang? Wie ist das finanziell abgesichert? Die Frage betrifft Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen genauso wie Selbstständige und Freiberufler.

Eine lange Krankheit, die möglicherweise sogar in eine Berufsunfähigkeit mündet, kommt gar nicht so selten vor, wie viele meinen. Jeder Vierte wird laut Statistik im Laufe seines Arbeitslebens mit einer Berufsunfähigkeit konfrontiert, zitiert der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) eine Datenanalyse. Logischerweise sind alle Betroffenen sehr lange krank, bevor sie als berufsunfähig eingestuft werden und können in dieser Zeit nicht mehr arbeiten gehen. Psychische Erkrankungen sind mit fast 30 Prozent der Hauptgrund, warum Menschen vorzeitig ihren Job aufgeben müssen, eine Krebserkrankung liegt auf Platz zwei der Ursachen. Fast ebenso viele scheiden wegen Leiden am Bewegungsappart aus dem Beruf aus. Und die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass auch immer wieder neue Erkrankungen hinzukommen können, die Menschen arbeitsunfähig machen, weil sie zum Beispiel an Long-Covid leiden.

Eine lange Krankheit birgt ein finanzielles Risiko. Angestellte genießen zwar zunächst Lohnfortzahlungen ihres Arbeitgebers und das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse – doch das kann zu gering sein, wenn hohe monatliche Ausgaben zu bestreiten sind oder wenn das monatliche Einkommen fest verplant ist, etwa wegen der Ratentilgung eines Immobilienkredits.

Eine private Krankentagegeldabsicherung kann für manche sinnvoll sein. Und wenn es gar kein Zurück in den Job gibt, sollten Sie einen umfassenden Berufsunfähigkeitsschutz besitzen. Darum müssen Sie sich selbst kümmern.  Erfahren Sie im folgenden Ratgeber alles rund um Krankengeld und Krankentagegeld, was beim Übergang zur Berufsunfähigkeit zu beachten ist und wann die Berufsunfähigkeitsversicherung.

 

Lohnfortzahlung und Krankengeld bei langer Krankheit

Angestellte sind bei einer langen Krankheit erst mal gut abgesichert. Sie erhalten maximal sechs Wochen lang Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, auch wenn sie nicht arbeiten können. In den meisten Fällen genügt dies, um ohne finanzielle Einbußen wieder gesund zu werden.

Wenn die Lohnfortzahlung endet, erhalten Sie als pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung das Krankengeld der Krankenkasse. Es steht Ihnen bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit für die Dauer von 78 Wochen innerhalb von drei Jahren zu. Die Zeit der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber wird jedoch angerechnet, de facto erhalten Betroffene das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung für 72 Wochen, also 18 Monate. „Tatsächlich müssen sich alle, die Krankengeld über einen längeren Zeitraum beziehen, jedoch darauf einstellen, von der Krankenkasse kontaktiert und zum Gesundheitszustand befragt zu werden, obwohl sie dazu möglicherweise gar keine Einwilligung gegeben haben“, sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Nicht selten werde von den Kassen erheblicher Druck ausgeübt, hat die Verbraucherschützerin erfahren. Die Motivation ist naheliegend: Das Krankengeld ist ein erheblicher Kostenfaktor, der Krankenkasse ist deshalb daran gelegen, den Bezug möglichst bald zu beenden oder aber Betroffene in die Rente zu schicken.

Erhalten freiwillig gesetzlich Versicherte auch Krankengeld?

Arbeitnehmer, die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, erhalten ebenfalls ein Krankengeld, vorausgesetzt sie entrichten den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Als freiwillig gesetzlich versichert gelten Sie, wenn Ihr Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze von 69.300 Euro brutto im Jahr (5.775 Euro im Monat) liegt. Diese Zahlen gelten für das Jahr 2024.

Wer wer ehält kein Krankengeld?

Alle, die kostenfrei in der Familienversicherung der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert sind, Studenten und Praktikanten oder auch alle, die Bürgergeld erhalten, erhalten kein Krankengeld, Azubis jedoch schon.

 

Wie hoch ist das Krankengeld?

Das Krankengeld beträgt maximal 70 Prozent vom Brutto-, beziehungsweise maximal 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Davon werden noch Sozialversicherungsbeiträge abgezogen. Berücksichtigt werden bei der Berechnung auch Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld. Allerdings ist das Krankengeld durch die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckelt. Das ist die Einkommensgrenze, bis zu der die Beiträge kalkuliert werden. Einkommen, die darüber liegen, werden zur Berechnung nicht mehr herangezogen. Im Jahr 2024 liegt die Beitragsbemessungsgrenze bei 62.100 Euro brutto im Jahr beziehungsweise 5.175 Euro im Monat. 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze, abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge, ergeben den Maximalbetrag, den Versicherte als Krankengeld erhalten können. Das sind im Jahr 2024 maximal 120,75 Euro pro Kalendertag, bei einem 30 Tage dauernden Monat also 3.622,50 Euro im Monat, abzüglich Sozialversicherungsbeiträge. Während des Krankengeldbezugs fallen für Pflichtversicherte keine Beiträge zur Krankenversicherung an.

 

Wie sind Selbstständige bei langer Krankheit abgesichert? 

Selbstständige erhalten natürlich keine Lohnfortzahlung durch einen Arbeitgeber. Aber wenn sie freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, kann ihnen dennoch Krankengeld zustehen. Voraussetzung ist, dass sie eine Wahlerklärung zum Krankengeldanspruch abgeben und den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent bezahlen. Dann steht ihnen gesetzliches Krankengeld nach Ablauf von sechs Wochen Krankheit zu, also ab dem 43. Krankheitstag. Sie erhalten dann 70 Prozent ihres Arbeitseinkommens, das zuletzt auch für die Berechnung des Kassenbeitrags maßgeblich war. Maximal können sie 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erhalten. Die Auszahlungsdauer des Krankengeldes ist dieselbe wie für Arbeitnehmer: 72 Wochen.

Selbstständige, die privat krankenversichert sind, erhalten keine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie erhalten ein Krankentagegeld von ihrem privaten Versicherer, sofern sie diese Leistung abgeschlossen haben.

Tipp: Wahltarif der gesetzlichen Krankenkasse

Freiwillig gesetzlich versicherte Selbstständige können einen Wahltarif der gesetzlichen Krankenkasse abschließen. Damit ist eine frühere Auszahlung eines Krankentagegeldes möglich. So können Selbstständige die sechs Wochen, bis das gesetzliche Krankengeld bezahlt wird, überbrücken. Es gibt verschiedene Tarife, manche sind nur für Selbstständige, andere für Arbeitnehmer mit hohem Einkommen, wieder andere für Arbeitnehmer, die nur kurzfristig angestellt sind und deshalb keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Es gibt auch spezielle Tarife für Künstler und Publizisten. Mit wenigen Ausnahmen müssen sie den allgemeinen Beitragssatz entrichten, um einen Wahltarif abschließen zu können. Die Wahltarife gewähren ein Kranktagegeld meist ab dem 15. oder dem 22. Krankheitstag, die Leistung endet oft mit dem 42. Tag, danach greift das gesetzliche Krankengeld. „Gerade für Selbständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, kann ein Wahltarif vor allem dann interessant sein, wenn sie bereits älter sind oder Vorerkrankungen haben. Bei den Wahltarifen fällt nämlich keine Gesundheitsprüfung an wie bei einer privaten Krankentagegeldversicherung“, rät Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen.

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Finanzlücken bei der Ansicherung von Langzeitkrankheiten

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind für bestimmte Versicherte lückenhaft beziehungsweise nicht ausreichend. Dazu gehören vor allem:

  • Freiwillig Versicherte mit hohem Einkommen: Wenn Sie mit Ihrem Verdienst deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, geraten Sie möglicherweise in Finanznot, weil das Krankengeld nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu decken. Das betrifft Arbeitnehmer genauso wie Selbständige. Wenn Sie einen höheren Finanzbedarf als 3.622,50 Euro – das ist der Maximalbetrag an Krankengeld bei einem 30 Tage dauernden Monat –  haben, müssen Sie entweder sparen oder auf anderweitiges Vermögen zurückgreifen, um den monatlichen Finanzbedarf zu decken. Oder aber Sie können auf ein privates Krankentagegeld zurückgreifen. Lesen Sie mehr dazu im Abschnitt weiter unten.
  • Selbständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind und den regulären Beitragssatz bezahlen, müssen bis zur Auszahlung des Krankengeldes sechs Wochen lang finanziell überbrücken. Selbstständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, aber nur den ermäßigten Beitragssatz von 14 Prozent bezahlen, erhalten kein Krankengeld. Sie müssen ihren Finanzbedarf ab Tag eins der Krankheit aus eigenem Vermögen decken oder können auf eine private Krankentagegeldversicherung setzen. Lesen Sie mehr dazu im Abschnitt weiter unten.
  • Selbstständige mit privater Krankenversicherung: Selbstständige, die privat krankenversichert sind, erhalten nur dann ein Krankentagegeld, wenn sie diese Leistung auch explizit bei ihrem privaten Versicherer abgeschlossen haben.

Wenn Sie nach 78 Wochen immer noch krank sind und nicht arbeiten können, greift eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die sie privat abgeschlossen haben. Oder es kann eine Erwerbsminderungsrente vom Staat in Frage kommen. Lesen Sie mehr dazu weiter unten.

Fazit: Eine Krankentagegeldversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind wichtige Absicherungsprodukte. Sie sichern ihre finanzielle Existenz bei langer Krankheit.

 

Ist eine Krankentagegeldversicherung sinnvoll?

Wenn Ihnen das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausreicht, können Sie die Finanzlücke über eine private Krankentagegeldversicherung schließen. Das Krankentagegeld kann die Differenz zwischen dem gesetzlichen Krankengeld und dem Nettogehalt bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ausgleichen. Eine Krankentagegeldversicherung leistet zeitlich unbefristet – so die Theorie. In der Praxis müssen alle, die für einen längeren Zeitraum Krankentagegeld beziehen, damit rechnen, dass die Versicherung nichts unversucht lassen wird, eine Berufsunfähigkeit festzustellen und damit den Bezug von Krankentagegeld zu beenden.

Im Leistungsfall erhalten Sie bei einer Krankentagegeldabsicherung einen Tagessatz ausbezahlt. Wie hoch dieser ist, wird bei Vertragsabschluss festgelegt, ebenso der Zeitpunkt, also ab dem wievielten Krankheitstag es ausgezahlt wird. Selbstständige können Leistungen ab dem ersten Krankheitstag beziehen, Arbeitnehmer erst ab der siebten Krankheitswoche, da sie vorher durch die Lohnfortzahlungen ihres Arbeitsgebers abgesichert sind.

So hoch ist das Krankentagegeld

Wie hoch der Tagessatz sein soll, hängt von der individuellen finanziellen Situation ab. Je früher das Krankentagegeld ausgezahlt wird und je höher es ist, desto höher sind auch die Beiträge. Eine Absicherung ab dem ersten Tag ist wesentlich teurer als eine Absicherung ab dem 43. Tag. Das zeigt unsere folgende Tabelle auf.

Das Gute ist, dass Krankentagegeldtarife in der Regel eine Staffelung der Leistungen erlauben. So können Sie zu Beginn einer Erkrankung ein niedriges Krankentagegeld festlegen, das Sie zu einem späteren Zeitpunkt aufstocken können. Das ist insbesondere für Selbstständige interessant, die möglicherweise die ersten ein oder zwei Monate einer Erkrankung noch gut überbrücken können.

So werden die Beiträge kalkuliert

Neben dem Zeitpunkt der Auszahlung fließen auch Ihr Alter und Ihr Gesundheitszustand in die Beitragskalkulation der Krankentagegeldpolice mit ein. Sie sollten möglichst in jungen Jahren, wenn Sie noch gesund sind, einen Vertrag abschließen, dann sind die Beiträge deutlich niedriger, als wenn Sie älter sind und bereits Vorerkrankungen haben, die zu Risikozuschlägen führen. Die Beiträge für eine solche Police sind nicht die günstigsten, aber im Einzelfall lohnt sich die Investition. Unsere Tabelle zeigt einige Tarifbeispiele für eine Krankentagegeldabsicherung.

Tabelle: Tarifbeispiele für Krankentagegeld (Auswahl)

Modellfall: Krankentagegeldtarife für einen Versicherungsnehmer, Selbstständig/Angestellt, 35 Jahre, 100 Euro pro Tag (Selbstständige (SB) ab dem 22. bzw. 43. Tag; Angestellte (A) ab dem 43. Tag). Versicherungsbeginn 1.11.2024

Anbieter*  

SB-Krankentagegeld
ab dem 22. /43. Tag (in Euro) 
- Tarif - 

A-Krankentagegeld
ab dem 43. Tag (in Euro) 

Allianz

124,80 (KTS04W) / 75,60 (KTS07W) 

92,60 im KTG07W**

Continentale  

96,90 (V22-U/100) / 36,40 (V43-U/100)

36,40 (V43-U/100)

Debeka 

96,90 (KT15/100) / 57,10 (KT29/100)  

58,50(KG43/100)

Hanse Merkur 

94,10 (T22/100) / 39,10 (T43/100)

39,10 (T43/100)

*Pro Unternehmen ist nur ein Tarif genannt, auch wenn verschiedene angeboten werden. Die Qualität der Bedingungen und die Leistungen, zu den genannten Beiträgen angeboten werden, haben wir nicht geprüft.  
**Allianz: 44,60 (KTA07W) für privat Krankenvollversicherte; Debeka: 35,70 (KT43/100)
Quelle: Biallo.de; Stand September 2024. Alle Angaben haben die Anbieter zur Verfügung gestellt.

 

Das leistet eine Erwerbsminderungsrente

Für Menschen, die dauerhaft krank sind und bei denen es nicht absehbar ist, dass sie wieder in ihrem Beruf arbeiten können, hat der Staat die Erwerbsminderungsrente vorgesehen.

Die Erwerbsminderungsrente zu erhalten, ist gar nicht so einfach. Betroffene erhalten diese Rente erst, wenn sie kaum mehr einsatzfähig sind, unabhängig vom ursprünglich ausgeübten Beruf. Nur wenn auch leichte Arbeiten nicht mehr länger als drei Stunden täglich ausgeführt werden können, erhalten Betroffene die volle Rente. Können sie mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden arbeiten, erhalten sie die halbe Rente, die Teilerwerbsminderungsrente. Sind Betroffene aber in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten – gehen sie leer aus.

Diese Regelung gilt für alle, die nach dem 2. Januar 1961 geboren sind. Wer früher geboren ist, also älter ist, kann weiter eine Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit erhalten, die einen etwas besserstellt: Wer seinen erlernten Beruf oder einen gleichwertigen Beruf nicht mehr ausüben kann, wohl aber in einer anderen Berufssparte arbeiten kann, erhält eine Berufsunfähigkeitsrente – diese gibt es für später Geborene ab 1961 nicht mehr. Hier gilt nur noch das Kriterium, ob jemand grundsätzlich zumindest zum Teil arbeiten kann oder nicht.

Voraussetzung für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente ist, dass

  • Sie mindestens fünf Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben und gleichzeitig
  • innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mindestens drei Jahre lang pflichtversichert gewesen sind. Für diese Wartezeiten gelten in bestimmten Lebenssituationen auch Ausnahmen.

Die volle Rente erhalten Sie, wenn

  • Sie nach dem 1.1.1961 geboren sind und nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten können.

Eine Teilerwerbsminderungsrente erhalten Sie, wenn

  • Sie nach dem 1.1.1961 geboren sind und nur zwischen drei und sechs Stunden arbeiten können.

Hinweis: Bei der Rente wird die Arbeitsmarktlage berücksichtigt. Wer bis zu sechs Stunden arbeiten könnte, aber keine Stelle findet, erhält die volle Rente.

Erwerbsminderungsrente: So hoch ist die Rente

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente richtet sich nach der Anzahl der Versicherungsjahre in der Rentenversicherung und den dort bereits gesammelten Entgeltpunkten. Im Durchschnitt beträgt die Rente weniger als ein Drittel des letzten Bruttogehalts. Je nach Verdienst und je nach Versicherungsjahren erhalten Betroffene im Durchschnitt 900 bis 1.000 Euro Rente im Monat.

Seit 1. Juli 2024 gibt es einen neuen Zuschlag: Jene, deren Rentenbezug zwischen 2001 und 2018 begonnen hat, erhalten einen Zuschlag von 7,5 Prozent auf die Nettorente (Rentenbeginn zwischen Januar 2001 und Juni 2014) und 4,5 Prozent (Rentenbeginn von Juli 2014 bis Dezember 2018). Die Deutsche Rentenversicherung prüft automatisch, wer berechtigt ist, den Zuschlag zu erhalten.

Fazit: Wer die vorangehenden Abschnitte aufmerksam gelesen hat, weiß jetzt, dass die staatliche Absicherung bei Erwerbsminderung meist nicht ausreicht, um den Finanzbedarf zu decken. Sie tun gut daran, eine  Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Lesen Sie im folgenden Abschnitt, wann diese leistet.

 

Berufsunfähigkeitsversicherung – Ab wann gilt man als berufsunfähig?

Eine Berufsunfähigkeitspolice leistet, wenn Sie wegen Krankheit oder wegen eines Unfalls langfristig nicht mehr arbeiten können. Der Versicherungsnehmer erhält eine monatliche Rente für die Dauer der Berufsunfähigkeit, notfalls bis zum Rentenalter. Eine Police sollte die volle Monatsrente schon ab mindestens 50 Prozent Berufsunfähigkeit gewähren.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung greift viel früher, als viele meinen: Viele Policen gewähren bereits eine monatliche Rente, wenn die Erkrankung voraussichtlich länger als sechs Monate dauert (verkürzter Prognosezeitraum).

Gute Verträge zahlen ab Tag eins der Krankheit, wenn die ärztliche Prognose bereits getroffen werden kann, dass die Erkrankung länger als sechs Monate dauern wird. „Die Police sollte auch rückwirkend ab dem ersten Tag der Krankheit leisten, wenn zum Zeitpunkt der Erkrankung nicht absehbar war, dass die Erkrankung in eine Berufsunfähigkeit münden würde. Diese Rückwirkungsklausel sollte idealerweise bis zu drei Jahren rückwirkend gelten“, sagt Philipp Rehberg von der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist an den zuletzt ausgeübten Beruf geknüpft. Der Versicherer sollte darauf verzichten, den Versicherungsnehmer auf einen gleichwertigen Beruf verweisen zu können. Man nennt das den Verzicht auf die sogenannte abstrakte  Verweisung.

Berufsunfähigkeitsversicherung – so hoch sollte die Rente sein

Damit die Police im Ernstfall auch tatsächlich die finanzielle Lücke schließen kann, muss die bei Vertragsabschluss festgelegte Rente ausreichend hoch sein. „Sie sollte 80 Prozent des Nettogehalts betragen. Zu bedenken ist, dass aus der Rente auch Beträge für eine spätere private Altersabsicherung zur Seite gelegt werden sollten“, sagt Philipp Rehberg von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Die 80 Prozent sind aber nur eine Richtgröße. Wer frei verfügbares Einkommen aus anderen Quellen hat, kann dies bei der Berechnung der Rentenhöhe mit einkalkulieren. Eine Laufzeit bis zum Rentenalter ist wichtig.

Wichtig ist auch, dass sich die Rentenhöhe im Laufe der Jahre anpassen lässt. Sie können eine Beitrags- und Leistungsdynamik vereinbaren. Damit erhöht sich Jahr für Jahr der Beitrag aber auch die Leistung um beispielsweise drei Prozent. Außerdem sollte der Vertrag Nachversicherungsoptionen bieten. So lässt sich die Rentenhöhe während der Laufzeit noch anpassen, wenn Sie beispielsweise heiraten, Kinder bekommen oder eine Immobilie erwerben. Dies sollte ohne erneute Gesundheitsprüfung möglich sein. Es lohnt sich, die Police in jungen Jahren abzuschließen, denn es ist eine umfassende Gesundheitsprüfung nötig. Wer chronische Erkrankungen hat, muss meist Aufschläge zahlen oder wird unter Umständen sogar ganz abgelehnt.

Unsere Tabelle zeigt Tarifbeispiele für Berufsunfähigkeitsversicherungen

Modellkunde: Versicherungsnehmer, 30 Jahre, Nichtraucher, Bürokaufmann/-frau, 100 % Bürotätigkeit, Versicherungsbeginn ab 1.11.2024. Garantierte monatliche Rente 1.500 Euro, Vertragslaufzeit bis zum Alter von 67 Jahren. Überschussverwendung als Sofortrabatt. Genannt sind Tarife mit Verzicht auf abstrakte Verweisung und Nachversicherungsgarantie bei Heirat/Geburt eines Kindes/Adoption.

Versicherer 

Tarifname 

Zahlbeitrag* pro Monat (in Euro) 

Bruttobetrag* pro Monat (in Euro) 

Allianz 

BerufsunfähigkeitsPolice Premium 

74,65 

96,95 

Canada Life 

Berufsunfähigkeitsschutz 

60,06** 

60,06** 

Continentale  

  

Continentale PremiumBU, Tarif PBU 

74,77 

124,62 

Cosmos Direkt 

SBU Starter-Variante*** 

26,92 / 70,84 

35,89/ 94,45 

Dialog 

SBU-professional 

52,84 

78,87 

Europa  

E-BU 

69,39 

115,66 

Hannoversche 

SBU Premium 

65,64 

87,52 

Hanse Merkur 

SBU 2022M, Profi Care***

58,89 / 117,79 

76,49 / 152,98

Pro Unternehmen ist nur ein Tarif genannt, auch wenn verschiedene angeboten werden. Die Qualität der Bedingungen und die Leistungen, zu den genannten Beiträgen angeboten werden, haben wir nicht geprüft. 
*Den Zahlbeitrag zahlt der Versicherungsnehmer de facto. Erwirtschaftete Überschüsse des Versicherers sind dabei schon direkt mit den Beiträgen verrechnet. Für Überschüsse gibt es jedoch keine Garantie. Der Zahlbeitrag kann also steigen, maximal bis zum Bruttobeitrag. Die Qualität der Bedingungen, zu den genannten Beiträgen angeboten werden, haben wir nicht geprüft. 
**Zahlbeitrag ist immer gleich Bruttobeitrag 
***In den ersten fünf Versicherungsjahren gilt der günstigere Beitrag. 
Quelle: Biallo.de, Stand September 2024. Alle Angaben haben die Anbieter zur Verfügung gestellt. 

 

Übergang zwischen Krankengeld und Berufsunfähigkeit

Viele meinen, sie benötigen keine Krankentagegeldabsicherung, weil bei einer längeren Krankheit die Berufsunfähigkeitsversicherung greift. Es stimmt, dass bei Krankheiten, die länger als sechs Monate dauern, die Berufsunfähigkeitsversicherung greift, sofern man eine besitzt! Allerdings ist Folgendes zu bedenken: Oft ist zu Beginn einer Krankheit nicht absehbar, dass daraus eine Berufsunfähigkeit wird. Dann muss man die Zeit bis zur möglichen Feststellung einer Berufsunfähigkeit finanziell überbrücken. Dafür ist eine Krankentagegeldversicherung wichtig.

Umgekehrt ersetzt eine Krankentagegeldpolice keine Berufsunfähigkeitsabsicherung. Es heißt zwar, das Krankentagegeld wird unbefristet bezahlt. Doch oft findet sich in den Bedingungen der Zusatz, dies gelte, solange man nicht auf „unabsehbare Zeit“ erkranke. Bei psychischen Erkrankungen oder Krebs ist es schwer abzuschätzen, wie eine Krankheit verläuft und wie lange sie einen beeinträchtigt. Der private Krankenversicherer wird schnell nachprüfen, ob nicht eine Berufsunfähigkeit vorliegt. Ist das der Fall, werden die Zahlungen eingestellt. Dann sollten Sie mit einer Berufsunfähigkeitspolice vorgesorgt haben.

 

Weitere Fragen zu Krankengeld und Berufsunfähigkeitsversicherung

Oft ergeben sich weitere Fragen, wenn man sich gedanklich mit der finanziellen Absicherung einer Langzeiterkrankung beschäftigt oder bereits erkrankt ist und wissen möchte, was in genau dem konkreten Fall nun gilt. Die folgenden Fragen könnten Sie unter anderem beschäftigen. Wir geben Antworten:

Wer stellt fest, ab wann man berufsunfähig ist?

Sie können sicher sein, dass sowohl die gesetzliche Krankenkasse als auch der private Krankentagegeldversicherer regelmäßig nachprüfen wird, ob eine Berufsunfähigkeit beziehungsweise Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Denn sobald dies der Fall ist, sind beide Versicherer nicht mehr zuständig!  

Wenn Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung haben, ist es in Ihrem eigenen Interesse, Ihren Versicherer möglichst bald zu kontaktieren, wenn sich abzeichnet, dass Sie nicht mehr arbeiten können. Das kann beispielsweise bei einer Krebserkrankung der Fall sein, bei der oft schnell feststeht, dass Sie aufgrund einer lang andauernden Behandlung mindestens mehrere Monate ausfallen werden. Für einen Antrag sind umfangreiche Unterlagen vorzulegen und eine Prüfung dauert, deshalb stellen Sie ihn am besten zeitig.

Krankengeld und Berufsunfähigkeitsrente  –  lässt sich das kombinieren?

Ein Krankengeldbezug durch die gesetzliche Krankenkasse und eine private Berufsunfähigkeitsrente schließen sich nicht aus. Dazu gibt es ein Gerichtsurteil des Sozialgerichts Trier aus dem Jahr 2011. Wenn Sie monatliche Zahlungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente erhalten, bleibt dennoch ein Anspruch auf Krankengeld bestehen. Insofern muss ein gesetzliches Krankengeld auch nicht zurückgezahlt werden, wenn eine Berufsunfähigkeit rückwirkend anerkannt wird.

Privates Krankentagegeld und Berufsunfähigkeitsrente – lässt sich das kombinieren?

Anders sieht es aus, wenn Sie ein Krankentagegeld aus einer privaten Absicherung beziehen und obendrein eine Rente aus einer Berufsunfähigkeitsrente erhalten. Dieses Nebeneinander ist nicht möglich! Dazu gibt es mehrere Gerichtsurteile, z.B. OLG Frankfurt a. M. (Beschluss vom 14.09.2017 – 3 U 98/17). Ein Blick in die Versicherungsbedingungen der privaten Krankentagegeldversicherung ist aufschlussreich. Dort heißt es in der Regel, dass ein Versicherungsverhältnis mit Eintritt der Berufsunfähigkeit endet. Wenn zum Zeitpunkt des Eintritts in die Berufsunfähigkeit bereits eine Arbeitsunfähigkeit bestand, muss die Versicherung noch maximal drei Monate lang die Leistung gewähren (Nachleistungszeitraum). Diese Bedingung findet sich auch in den Musterbedingungen des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV). Sollte eine Berufsunfähigkeit rückwirkend anerkannt werden, dann ist das private Krankentagegeld sogar zurückzuzahlen. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Cottbus hervor (Urteil vom 09.01.2020 - 6 O 444/18). In diesem Fall musste der Versicherer allerdings auch die im relevanten Zeitraum erhaltenen Beiträge an den Versicherungsnehmer zurückzahlen, denn das Versicherungsverhältnis endete ja mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit.

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Über die Autorin Annette Jäger

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während meines Studiums der Neueren Geschichte in München begann ich als freie Journalistin zu arbeiten, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung. Im Jahr 2000 kam ich zu biallo.de, damals waren Versicherungsthemen für mich Neuland, über Gesundheitspolitik las ich in der Zeitung oder bekam die Auswirkungen als Patientin zu spüren. Schnell stellte ich fest, dass der unverstellte Blick von außen durchaus von Vorteil ist bei der kritischen Aufbereitung dieser Themen. Bei Biallo schreibe ich noch immer über Versicherungen, Gesundheit und Soziales. Neuland sind diese Themen heute nicht mehr.

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