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Finanzielle Hilfe für Alleinerziehende

Unterhaltsvorschuss 2022: Voraussetzungen, Antrag, Höhe und Berechnung

Ines Baur
Autorin
Aktualisiert am: 11.03.2022

Auf einen Blick

  • Alleinerziehende leisten außerordentlich viel. Fällt für das Kind der Barunterhalt des anderen Elternteils aus, können sie als finanzielle Hilfe Unterhaltsvorschuss für ihr Kind beantragen.
  • Zum 01. Januar 2022 wurde der Unterhaltsvorschuss für Kinder von Alleinerziehenden erhöht.

  • Alle Informationen zu Voraussetzungen, Antrag, Berechnung und Höhe des Unterhaltsvorschusses.
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Das erwartet Sie in diesem Artikel

  1. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz
  2. Was ist der Unterhaltsvorschuss?
  3. Wie beantrage ich Unterhaltsvorschuss?
  4. Unterhaltsvorschuss – Voraussetzungen, Berechnung und Höhe
  5. Anrechnung von Gehalt, Ferienjob und Taschengeld
  6. Bescheid und Widerspruch
  7. Mitteilungspflicht
  8. Kindergeld und Unterhaltsvorschuss
  9. Beistandschaft des Jugendamts
  10. Unterhaltsvorschuss und Sozialleistungen
  11. Rückzahlung
  12. Nicht zahlen „können“ oder nicht zahlen „wollen“?
  13. Vater unbekannt – kein Unterhaltsvorschuss?

Getrennte Eltern teilen sich in der Regel Natural- und Barunterhalt. Das bedeutet meistens in der Praxis: Vom Papa erhält das Kind Geld. Mama ist für Betreuung, Essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf zuständig. Selbstverständlich gibt es auch alleinerziehende Väter, die Großartiges leisten, die Mehrzahl sind aber Mütter. Laut dem Statistischen Bundesamt waren rund 2,09 Millionen Mütter und etwa 435.000 Väter im Jahr 2020 alleinerziehend in Deutschland.

Alleinerziehende leisten enorm viel. Sie müssen Job, Haushalt, Betreuung des Kindes und Finanzen unter einen Hut bekommen. Bricht aber der Barunterhalt weg, kommt dieser nur noch unregelmäßig oder ist es zu wenig, kann sich die finanzielle Situation der kleinen Familie rapide verschärfen. In einem solchen Fall können Alleinerziehende den Unterhaltsvorschuss beantragen.

 

Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz

Mitte des Jahres 2020 erhielten rund 840.000 Kinder Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Diese Zahlen führen vor Augen, dass viele Unterhaltspflichtige den vereinbarten Unterhalt für ihr Kind nicht zahlen können oder aber nicht wollen. Die Zahlen sagen aber auch etwas über die Situation vieler Alleinerziehender und deren Kinder aus. Sie verdeutlichen, dass sie mit dem Existenzminimum, den der Unterhaltsvorschuss darstellt, zurechtkommen müssen. Und trotzdem haben sie ihren Teil der Abmachung zu stemmen.

Wie und wo können Betroffene den Unterhaltsvorschuss beantragen? Wie berechnet sich der Unterhaltsvorschuss? Kann eine Frau mit „Vater unbekannt“ den Vorschuss erhalten? Und kommen Elternteile, die für ihre Kinder einfach nicht finanziell aufkommen wollen, ungeschoren davon? Antworten auf diese Frage liefert Ihnen unser Ratgeber.

 

Was ist der Unterhaltsvorschuss?

Unterhaltsvorschuss als Alternative zum Unterhalt zählt als wichtige finanzielle Unterstützung für Kinder Alleinerziehender. Er ist heute das probate Mittel gegen Kinderarmut. Auf den Kindesunterhalt kann ein Elternteil eigentlich von Gesetzes wegen nicht verzichten. Er kann allerdings davon absehen, den Anspruch geltend zu machen. Ob das im Sinne des Kindes ist, sei dahingestellt.

Viele Alleinerziehende versuchen viel zu lange selbst klar zu kommen, bevor sie den Weg zum Amt gehen. Das Selbstverständnis zu sagen, „Ich verlange Unterhalt für mein Kind, damit es gut versorgt aufwächst“, fehlt hier leider. Oft haben sie auch ein Problem damit, (erneut) gegen den anderen Elternteil des Kindes vorzugehen. Sie befürchten, dass es letztendlich ihr Kind ausbadet, wenn er Post vom Amt erhält und verärgert reagiert. Dass es dann unter weiteren Streitereien leidet oder der andere Elternteil den Kontakt komplett einstellt. Andere scheuen den bürokratischen Aufwand, fühlen sich überfordert mit dem Ausfüllen des seitenlangen Formulars. Vielleicht möchten sie auch schlichtweg nicht das Jugendamt einschalten.

Aber: Es geht hier weder um die Befindlichkeiten der Mutter noch um die des Vaters. Es geht um das Recht des Kindes. Und selbst, wenn es Anstrengung erfordert, haben Alleinerziehende gewissermaßen die Pflicht, das Geld für ihr Kind zu fordern.

 

Wie beantrage ich Unterhaltsvorschuss?

Den Unterhaltsvorschuss beantragen alleinerziehende Elternteile bei der Unterhaltsvorschussstelle. Es entstehen keine Kosten. Kontaktdaten gibt es beim zuständigen Jugendamt und unter der Postleitzahl-­Suche im Familienportal. Das mehrseitige Formular gibt es online als PDF. Der Antrag kann entweder persönlich abgegeben oder per Post zugestellt werden. Die Schriftform ist ein Muss. Mündliche Anträge zählen nicht.

Die Bearbeitung ist nicht so wild, wie es auf den ersten Blick erscheint. Abgefragt werden Standard-Informationen zum Kind, alleinerziehenden Elternteil und Unterhaltspflichtigen. Etwa Wohnort und Geburtsdaten. Weiter Angaben über Unterhaltsverpflichtung, Unterhaltszahlungen und – soweit bekannt – Einkünfte des Unterhaltspflichtigen.

Liegt der Antrag der Unterhaltsvorschussstelle vor, flattert dem Unterhaltspflichtigen Post mit dem Bescheid ins Haus. Ab dann hat er zwei Wochen Zeit, Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen. Mangelt es an einer Kooperation, kann die Unterhaltsvorschuss­stelle Auskünfte vom Arbeitgeber, Versiche­rungsunternehmen, Finanzämtern und Kreditinstituten einholen, um die Einkommens-­ und Vermögenssituation des Unterhaltspflichtigen zu recherchieren.

Bis der Vorschuss auf dem Konto des alleinerziehenden Elternteils landet, können vier bis sechs Wochen vergehen. Sollte es länger dauern, wird die Leistung dementsprechend nachgezahlt. Rückwirkend gibt es das Geld für maximal einen Monat vor dem Monat des Antragseingangs.

 

Unterhaltsvorschuss – Voraussetzungen, Berechnung und Höhe

Eingeführt wurde der Unterhaltsvorschuss 1980 in der BRD und etwas später auch in der DDR. 1991 entstand dann ein gemeinsames Gesetz im Rahmen der Wiedervereinigung. 2017 erfolgte die Reform des Gesetzes.

Grund zur Freude: Denn seit 1. Juli 2017 können Kinder aus Familien mit alleinerziehenden Müttern oder Vätern den Zuschuss bis zur Volljährigkeit bekommen. Vorher lag die Höchstbezugsdauer bei 72 Monaten und galt nur für Kinder bis zu zwölf Jahren.

Voraussetzungen

Einen Anspruch auf den Unterhaltsvorschuss hat ein Kind bis 18 Jahren, wenn es 

  • keinen oder nur unregel­mäßig Unterhalt vom anderen Elternteil erhält, oder
  • die Unterhaltszahlungen unter dem gesetz­lichen Mindestunterhalt liegen oder
  • der andere Elternteil verstorben ist und das Kind keine oder lediglich Waisenrente unter dem gesetzlichen Mindestunterhalt bekommt.

Weiter gilt:

Das Kind lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil und hat den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland.

  • Der alleinerziehende Elternteil lebt vom anderen Elternteil dauer­haft getrennt und ist nicht neu verheiratet.

Ist das Kind älter als zwölf Jahre, gilt zusätzlich die Bedingung, dass es keine Leistungen des Zweiten Sozialgesetzbuchs (SGB II) wie Arbeitslosengeld 2 und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält, oder der alleinerziehende Elternteil mindestens 600 Euro brutto verdient. Sollte der Unterhaltspflichtige „ein bisschen“ zahlen, aber weniger als der Mindestunterhalt, kann mit dem Unterhaltsvorschuss aufgestockt werden.

Ein Beispiel: Der unterhaltspflichtige Vater überweist 50 Euro pro Monat für sein dreijähriges Kind. Dem Kind stehen laut Düsseldorfer Tabelle 177 Euro Unterhaltsvorschuss zu. Hier kann die Mutter die fehlenden 127 Euro in Form des staatlichen Zuschusses beantragen.

Berechnung und Höhe

Der Unterhaltsvorschuss berechnet sich aus dem gesetzlichen Mindestunterhalt laut Düsseldorfer Tabelle abzüglich des vollen Kindergeldes für ein erstes Kind (seit 2021 sind das 219 Euro):

Altersgruppe Unterhaltsvorschuss (seit 1. Januar 2022)
Kinder 0 - 5 Jahren 396 Euro
- 219 Euro
177 Euro
Kinder von 6 - 11 Jahren 455 Euro
- 219 Euro
236 Euro
Kinder von 12 - 17 Jahren 533 Euro
- 219 Euro
314 Euro

Quelle: Nach eigener Recherche; Biallo.de; Stand: März 2022.

 

Anrechnung von Gehalt, Ferienjob und Taschengeld

Das Einkommen von Kindern, die eine allgemeinbildende Schule (etwa Grundschule, Real-, Mittelschule oder Gymnasium) besuchen – oder noch gar nicht zur Schule gehen – bleibt unberücksichtigt. TaschengeldFerien- und Nebenjob, Geld durch Babysitten – alles kein Thema. Einkommen von Kindern oder Jugendlichen, die eine Ausbildung machen oder keine allgemeinbildende Schule mehr besu­chen, mindert die Unterhaltsvorschussleistung. 

Als Einkommen zählen:

  • Erwerbseinkommen
  • Aus­bildungsvergütungen
  • Vermögenseinkünfte.

Beispiel: Bei einer Ausbildungsvergütung werden zum Beispiel pau­schal 100 Euro als ausbildungsbedingter Aufwand anerkannt und pauschal 83,33 Euro als Werbungskosten abgezogen. Die Einkünfte werden sodann zur Hälfte auf den Unterhaltsvor­schuss angerechnet. Unter Umständen kann daher zum Bei­spiel neben einer Ausbildungsvergütung auch noch ein teil­weiser Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bestehen.

 

Bescheid und Widerspruch

Erteilt die Vorschussstelle eine Absage, kann es dafür mehrere Gründe geben. Vielleicht besteht kein Anspruch auf den Vorschuss, weil das Kind auf keine allgemeinbildende Schule mehr geht, die Mutter den Vater nicht nennen will oder weil Nachweise fehlen und der Antrag fehlerhaft war. Je nach Grund könnte sich ein Widerspruch lohnen. Wichtig ist, innerhalb von vier Wochen zu reagieren. Entweder schriftlich per Post oder bei einem persönlichen Termin zur Niederschrift direkt beim Jugendamt. Sollte über den Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden werden, kann Klage eingereicht werden.

 

Mitteilungspflicht

Bei Änderungen der persönlichen Verhält­nisse, die für den Anspruch relevant sind, muss die Unterhaltsvorschusskasse zeitnah informiert werden. Meldepflichtige Änderungen sind unter anderem:

  • Eine Wiederheirat des alleinerziehenden Elternteils, auch mit Ehegatten, der nicht biologischer Elternteil ist.
  • Gründung einer eingetragene Lebenspartnerschaft auch mit neuem Partner, der nicht biologischer Elternteil ist.
  • Zusammenziehen mit dem Elternteil.
  • Das Kind lebt nicht mehr bei der Alleinerziehenden.
  • Der andere Elternteil zahlt wieder Unterhalt.
  • Die Vaterschaft für das Kind klärt sich.
  • Das Kind besucht keine allgemeinbilden­de Schule mehr.
  • Das anspruchsberechtigte Kind verstirbt.
  • Für das Kind wird kein Kindergeld mehr bezahlt.

Die Verletzung der Mitteilungspflicht kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Außerdem hat der Elternteil die zu Unrecht bezogenen Leistungen in vollem Umfang zurückzuzahlen.

 

Kindergeld und Unterhaltsvorschuss

Das Kindergeld beeinflusst den Unterhaltsvorschuss. Wie erwähnt, berechnet er sich aus dem gesetzlichen Mindestunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle abzüglich des vollen Kindergeldes für ein erstes Kind. Das volle Kindergeld wird abgezogen, weil es für das Existenzminimum des Kindes immer vorrangig einzusetzen ist. So wird es beim Unterhaltsvorschuss in voller Höhe angerechnet. Der Staat möchte mit Kindergeld und Unterhaltsvorschuss das sächliche Existenzminimum der Kinder absichern. Und hier gibt es Kritiker. „Würde das Kind Unterhalt vom unterhaltspflichtigen Elternteil bekommen, wäre der Zahlbetrag um ein halbes Kindergeld höher“, sagt Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV).

Hierzu drei Beispiele:

  1. Ein Neunjähriger erhält vom Vater den gesetzlichen Mindestunterhalt, abzüglich des halben Kindergeldes. Er bekommt monatlich 564,50 Euro (Vater 345,50 Euro + 219 Euro Kindergeld).
  2. Ein Neunjähriger mit Bezug von Unterhaltsvorschuss, erhält 455 Euro (232 Euro UV + 219 Euro Kindergeld).
  3. Ein Neunjähriger, bei dem der alleinerziehende Elternteil den Gang zum Jugendamt nicht antritt, erhält lediglich das Kindergeld von 219 Euro.

Ein weiterer Knackpunkt: Bei einer Kindergelderhöhung könnten unterhaltsvorschussberechtigte Kinder sogar einen Nachteil haben. Wie im Jahr 2019: Damals wurden mitte des Jahres zwar das Kindergeld, aber nicht die Unterhaltssätze erhöht. Viele Kinder fuhren daher eine komplette Nullrunde.

Beispiel: Unterhaltsvorschuss bis 30. Juni 2019

Alter des Kindes

Kinder 0 - 5 Jahre

Kinder 6 - 11 Jahren

Kinder 12 - 17 Jahren

Mindestunterhalt

354 Euro

406 Euro

476 Euro

Abzug Kindergeld

- 194 Euro

- 194 Euro

- 194 Euro

Unterhaltsvorschuss bis 30. Juni 2019

160 Euro

212 Euro

282 Euro

Beispiel: Erhöhung Kindergeld ab 1. Juli 2019

Alter des Kindes

Kinder 0 - 5 Jahre

Kinder 6 - 11 Jahre

Kinder 12 - 17 Jahre

Mindestunterhalt

354 Euro

406 Euro

476 Euro

Abzug Kindergeld

- 204 Euro

- 204 Euro

- 204 Euro

Unterhaltsvorschuss ab 1. Juli 2019

150 Euro

202 Euro

272 Euro

Quelle: VAMV e.V.

Die Erhöhung des Kindergeldes kam damals genau da nicht an, wo es vermutlich am meisten gebraucht wurde. „Wir bekommen viele empörte Reaktionen von Alleinerziehenden, die es als geradezu zynisch empfinden, dass ausgerechnet ihnen die Kindergelderhöhung nicht gegönnt wird“, sagte Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des VAMV e.V. „Dabei haben sie finanziell höhere Belastungen und strampeln sich redlich ab, um alle Herausforderungen des Alltags mit Kindern allein zu bewältigen.“

Wer alleinerziehend ist und sich über seine Situation austauschen oder eine Beratung in Anspruch nehmen möchte, kann mit einem der Landesverbände des Verbandes Kontakt aufnehmen. Der VAMV e.V. vertritt seit 1967 die Interessen der Alleinerziehenden. Er tritt für eine ver­antwortungsvolle gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung ein. Betroffene bekommen eine professionelle Beratung je nach Lebenslage. Die Landesverbände halten Kontakt zu Ministerien, Parteien, Verbänden und Institutionen ihres jeweiligen Bundeslandes und bringen die Interessen von Alleinerziehenden in die Landesgesetzgebung ein.

 

Beistandschaft des Jugendamts

Hält sich der Ex-Partner trotz Vereinbarung nicht an abgesprochene Unterhaltszahlungen, kann sich der alleinerziehende Partner – noch vor dem Gang zur Unterhaltsvorschussstelle – an das Jugendamt wenden. Er kann sich beraten lassen und die Beistandschaft für das Kind beantragen. Mit der Beistandschaft macht das Jugendamt, quasi als Anwalt des Kindes, dessen Unterhaltsansprüche dem Barunterhaltspflichtigen gegenüber geltend und schafft den erforderlichen Unterhaltstitel. Die Beistandschaft ist eine spezielle Form der gesetzlichen Vertretung eines minderjährigen – ehelichen oder nichtehelichen – Kindes.

Sie beschäftigt sich mit zwei möglichen Aufgaben: 

  • der Feststellung der Vaterschaft und / oder
  • der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes sowie der Verfügung über die Unterhaltsansprüche.

Das Jugendamt nimmt als Beistand zuerst einmal Kontakt zum unterhaltspflichtigen Elternteil auf und versucht den Unterhalt anzufordern. Klappt das, gut fürs Kind. Denn selbst der Mindestunterhalt ist – wie erwähnt – nun mal höher als der Unterhaltsvorschuss.

Wichtig: Besteht eine Beistandschaft und kommt es zum gerichtlichen Verfahren, ist das Jugendamt als Beistand, kraft Gesetzes, alleiniger Vertreter des Kindes. Der sorgeberechtigte Elternteil muss und darf im Gerichtsverfahren das Kind nicht vertreten. Er hat Einsichtsrecht in die Unterlagen des Beistands, geregelt nach Paragraf 810 BGB.

Das Einrichten der Beistandschaft und die Abgabe des Unterhalts-Themas ist für viele Alleinerziehende eine riesige Entlastung. Sie sind damit raus aus dem Thema „Dem Unterhalt hinterherlaufen“, da ja das Jugendamt Ansprechpartner des Unterhaltspflichtigen ist. Weiter kümmert es sich um die Berechnung des Unterhaltsanspruchs. Es überwacht die Zahlungseingänge des Unterhaltspflichtigen und verfolgt etwaige Unterhaltsrückstände. Es macht Unterhaltsansprüche geltend und setzt sie, wenn es sein muss, gerichtlich durch oder leitet die Zwangsvollstreckung gegen den Unterhaltspflichtigen ein.

 

Unterhaltsvorschuss und Sozialleistungen

Wer mehr finanzielle Unterstützung braucht, kann – zusätzlich zu Unterhaltsvorschuss und Kindergeld – KinderzuschlagWohngeld, SGB-II- Leistungen oder Sozialhilfe beantragen. Der Unterhaltsvorschuss wird dabei immer als vorrangige Sozialleistung auf die anderen Leistungen angerechnet. Das Jobcenter kann und wird betroffene Alleinerziehende auffordern, zuerst den Antrag auf Unterhaltsvorschuss zu stellen. Wer das nicht möchte, wird nicht gezwungen. Sollte aber wissen, dass das Jobcenter selbst den Antrag bei der Unterhaltsvorschussstelle stellen darf nach § 5 Absatz 3 SGB.

Da sich in der Gesamtleitung nichts ändert, liegt die Frage nahe, warum man den Unterhaltsvorschuss dann überhaupt beantragen soll. Grund ist wahrscheinlich, dass eine Hartz-IV-Leistung als letztes Mittel eingesetzt wird, sollte die Hilfebedürftigkeit nicht irgendwie anders vermieden werden können. Unterhaltsvorschuss dagegen, wird eingesetzt, damit es erst gar nicht zu dieser Hilfebedürftigkeit kommt.

Vielleicht auch ein Grund könnte sein, dass es sich um zwei unterschiedliche Leistungen von unterschiedlichen Behörden handelt. Und Hartz IV – auch Arbeitslosengeld 2 (ALG 2) genannt – muss nicht zurückgezahlt werden. Unterhaltsvorschuss kann vom Unterhaltspflichtigen zurückgefordert werden.

 

Rückzahlung

Kann es tatsächlich so einfach sein? Mama beantragt Unterhaltsvorschuss, Vater Staat übernimmt und der Unterhaltspflichtige ist raus aus der Nummer?

Nein, natürlich nicht. Der Barunterhaltspflichtige ist keineswegs entlastet, wenn der Staat an seiner statt zahlt. Denn es heißt ja „Vorschuss“. Die Unterhaltsansprüche des Kindes gehen mit Erhalt des Unterhaltsvorschusses an das Land über. Und das kann und wird seine Vorleistung zurückfordern – wenn es geht. Im Jahr 2019 wurden laut Auskunft des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (kurz BMFSFJ) Unterhaltsvorschüsse und -ausfallleistungen von genau 2.178.077.135 Euro ausbezahlt. Von diesen Milliarden Vorschuss versucht sich der Staat selbstverständlich zurückzuholen, was geht. 2019 waren es rund 360 Millionen Euro. Gemessen an den Gesamtausgaben 17 Prozent. Die Einnahmen aus dem sogenannten „Rückgriff“ fließen zu 40 Prozent an den Bund und verbleiben im Übrigen bei den Ländern.

Wer auf Grund von Arbeitslosigkeit, Firmenpleite oder zu geringem Einkommen schon den Unterhalt nicht zahlen kann, wird den Vorschuss auch nicht zurückzahlen können. Aber nur der Hinweis, dass der Unterhaltspflichtige nicht zahlen kann, reicht hier nicht als Grund. Der Unterhaltspflichtige muss nachweisen, nicht leistungsfähig zu sein. Selbstständige müssen angeben, ob sie nicht durch Aufnahme einer Nebentätigkeit oder einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die Leistungsunfähigkeit hätten vermeiden oder beseitigen können.

Ignorieren bringt nichts

Viele Unterhaltspflichtige ignorieren die Schreiben der Jugendämter. Sie reagieren einfach nicht – oder erst, wenn gepfändet wird. Schlechte Idee, denn es gibt Möglichkeiten, Rückzahlungsvereinbarungen zu treffen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage. Zum Beispiel Ratenzahlung. Der Griff zum Telefon, der Anruf beim Jugendamt und eine Klärung der Lage könnten bei vielen den Besuch des Gerichtsvollziehers verhindern.

 

Nicht zahlen „können“ oder nicht zahlen „wollen“?

Ob Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss – viele Alleinerziehende möchten nicht, dass dem unterhaltspflichtigen Elternteil der Gerichtsvollzieher ins Haus geschickt wird. Sie wollen nicht als die „Böse“ dastehen und gehen deswegen erst gar nicht den Schritt. Dabei sollten sie aber daran denken, dass es zwei Arten des Nicht-Unterhalt-Zahlens gibt: Kann oder will der zahlungspflichtige Elternteil nicht zahlen?

Wenn er nicht kann, erhält das Kind mit dem Unterhaltsvorschuss Unterstützung vom Staat. Wenn er nicht zahlen will, sollte sich jeder Alleinerziehende die Frage stellen, wer hier nicht fair spielt. Keinen Unterhalt für sein Kind zu zahlen ist weder Kavaliersdelikt noch Kräftemessen. Es ist eine Straftat. Wer sich vorsätzlich der Unterhaltsverpflichtung entzieht, macht sich gemäß Paragraf 170 StGB strafbar. Es droht eine Freiheitsentziehung von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Die letzten Monate haben allen das Leben schwer gemacht. Viele sind von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit getroffen. Viele Selbstständige kämpfen mit der Pleite. Viele Unterhaltspflichtige stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Vielleicht ist es für den einen oder anderen gar eine Entlastung, wenn der Staat den Unterhalt vorschießt, bis er wieder für sein Kind aufkommen kann.

 

Vater unbekannt – kein Unterhaltsvorschuss?

Kennt eine Mutter den Vater ihres Kindes nicht, kann sie trotzdem Unterhaltsvorschuss beantragen. Je nach Einzelfall wird geprüft, ob sie, oder genaugenommen ihr Kind, die Leistung erhält. Voraussetzung ist, dass sie alles Zumutbare unternimmt, um den Vater ausfindig zu machen. Das heißt konkret: Wurde eine Frau nach einem einmaligen sexuellen Party-Kontakt – One-Night-Stand – schwanger und kennt den Vater nicht, kann sie trotzdem den Vorschuss erhalten. Sie ist jedoch verpflichtet alles Mögliche zu unternehmen, um die Identität des Vaters herauszufinden. Beispielsweise andere Partygäste fragen, ob sie den Mann kennen. Wird eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger, zeigt den unbekannten Täter an, kann sie Unterhaltsvorschuss für das Kind erhalten.

Keinen Anspruch haben Frauen, die

  • absichtlich schwanger geworden sind und sich weigern, über den zahlungspflichtigen Elternteil Aus­kunft zu erteilen.
  • sich weigern, bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken.
  • ihren zumutbaren Mitwirkungspflichten zur Feststellung der Identität des Vaters nicht nachkommen.
  • überzeugte Singles sind und sich entscheiden, durch eine heterologe Insemination, sprich künstliche Befruchtung, ein Baby zu bekommen.
Ines Baur hat ihre journalistische Karriere beim Fernsehen begonnen. Nach der Geburt ihres dritten Sohnes hat sich die gelernte Bankkauffrau auf Print- und Online-Medien spezialisiert. Schwerpunktmäßig schreibt sie zu den Themen Frauen und Finanzen, finanzielle Bildung, Frauen und Alters-Vorsorge, Frauen und finanzielle Selbständigkeit.

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