





Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat eine Miterbin verpflichtet, auf Bürgergeld zu verzichten, sobald ihr Erbanteil das gesetzliche Schonvermögen von 40.000 Euro deutlich übersteigt. Im verhandelten Fall ging es um Immobilien und Aktien im Gesamtwert von rund 1,2 Millionen Euro. Die Klägerin hatte mehr als fünfzehn Jahre Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) bezogen und argumentiert, der Verkauf der Objekte verzögere sich, weil die zu verkaufenden Wohnungen in Stuttgart vor dem Verkauf oder der Vermietung noch zu renovieren seien.
Die Richterinnen und Richter sahen das anders: Auch ein noch nicht endgültig aufgeteilter Nachlass gilt als verwertbares Vermögen. Selbst wenn einzelne Immobilien nicht sofort zu Geld gemacht werden können, darf die Sozialleistung nur weiterfließen, solange das Vermögen unterhalb der Freigrenzen liegt. Die Erbin müsse notfalls ihren Anteil verkaufen oder verpfänden, um ihren Lebensunterhalt eigenständig zu sichern.
Bislang konnten einzelne Miterbinnen oder Miterben den Verkauf einer Nachlassimmobilie blockieren und dennoch Sozialleistungen beziehen. Das Urteil verändert die Rechtslage: Die Jobcenter dürfen Bürgergeld streichen, sobald der Nachlassanteil der Antragstellerin oder des Antragstellers das Schonvermögen überschreitet und objektiv verwertbar ist.
Für Erbengemeinschaften bedeutet das Urteil eine klare Signalwirkung. Blockiert eine Person den Verkauf, verliert sie nicht nur den Leistungsanspruch, sondern muss sich um eine schnelle Lösung bemühen. Das kann etwa der Verkauf des eigenen Erbteils an Dritte oder die Aufnahme eines Zwischenkredits sein.
Seit dem Bürgergeld-Start liegt das Schonvermögen grundsätzlich bei 40.000 Euro für die erste Person in der Bedarfsgemeinschaft. Für jedes weitere Haushaltsmitglied kommen zusätzliche 15.000 Euro hinzu. Vermögen darüber hinaus gilt als einsetzbar, sofern es nicht in geschützten Anlagen wie Wohn-Riester oder einer selbst genutzten Immobilie gebunden ist. Erbanteile, Wertpapierdepots oder vermietete Häuser fallen nicht unter diese Schutzvorschriften.
Nicht jede Erbschaft lässt sich von heute auf morgen zu Geld machen. Trotzdem gehen die Sozialgerichte davon aus, dass ein Erbteil grundsätzlich veräußert oder beliehen werden kann. Wer nicht verkaufen will, kann den Anteil an Investoren oder andere Miterbinnen und Miterben abtreten. Auch die Verpfändung bei einer Bank ist zulässig. Erst wenn objektive Verwertungshindernisse bestehen, etwa ein komplexer Auslandsnachlass ohne klare Eigentumsrechte, kann Bürgergeld ausnahmsweise weitergezahlt werden.
Das Urteil dürfte künftig zügigere Erbauseinandersetzungen fördern. Denn wer nach einer Erbschaft weiter Sozialleistungen beantragt, muss lückenlos offenlegen, dass der Nachlass unterhalb der Freigrenze oder nicht verwertbar ist. Jobcenter können nun schneller einwenden, dass die Auszahlung des Bürgergeldes nicht gerechtfertigt ist.
Für viele Familien bedeutet das auch: Schon zu Lebzeiten ist es sinnvoll, klare testamentarische Regelungen zu treffen oder einen Testamentsvollstrecker einzusetzen. So lassen sich langwierige Streitigkeiten nach dem Erbfall vermeiden – und niemand gerät wegen eines ungeteilten Nachlasses in Konflikt mit dem Sozialamt.
Wer Bürgergeld bezieht und plötzlich erbt, muss den Vermögenszuwachs unverzüglich melden. Tut man das nicht, drohen Rückforderungen und Bußgelder. Liegt der Erbanteil oberhalb der Freigrenze und kann den Lebensunterhalt decken, endet die Leistungspflicht des Jobcenters. In dieser Lage hilft eine zügige Klärung innerhalb der Erbengemeinschaft oder der Verkauf des Erbteils, um finanzielle Engpässe zu überbrücken.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stellt klar: Ein erheblicher Erbanteil ist vorrangig zur eigenen Lebenssicherung einzusetzen. Bürgergeld dient der Existenzsicherung, nicht der Schonung millionenschwerer Nachlässe. Für Verbraucherinnen und Verbraucher in Erbengemeinschaften schafft das Urteil neue Klarheit – und sorgt dafür, dass das Sozialbudget gezielter eingesetzt wird.
Quelle: Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland, Erbteilung GmbH