Im deutschen Erbrecht haben Ehepartner und eingetragene Lebenspartner die Möglichkeit, gemeinsam ein Testament – das sogenannte Ehegattentestament– zu erstellen. Dies bedeutet, dass beide Partner in einem einzigen Schriftstück ihren beiderseitigen letzten Willen niederlegen können. Es werden somit Verfügungen über zwei Sterbefälle getroffen.
Solche testamentarische Verfügungen haben immer Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge und dienen meist dazu, den überlebenden Ehepartner nach dem Tod des anderen finanziell abzusichern, denn Verheiratete sind keinesfalls immer auch Alleinerben des Ehepartners. Das Recht von Pflichtteilsberechtigten, vom überlebenden Ehepartner ihren Pflichtteil einzufordern, bleibt hiervon aber weiterhin unberührt. So dürfen beim Tode eines Ehepartners zum Beispiel dessen Kinder den Pflichtteil verlangen, wenn sie im Testament nicht berücksichtigt sind.
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Basiswissen zum Ehegattentestament
Ehegattentestamente können – genau wie Einzeltestamente – sowohl notariell als auch privatschriftlich errichtet werden.
Privatschriftlich (Paragraf 2247 BGB / Paragraf 2265 ff. BGB): Hier genügt es, dass ein Ehegatte/Lebenspartner das Testament handschriftlich niederschreibt und es dann beide mit eigener Hand unterschreiben. Sinnvoll ist auch die Angabe von Ort und Datum. So gibt es später keine möglichen Verwechslungen, falls das Testament geändert oder ersetzt wird. Unbedingt beachten: Ein mit der Schreibmaschine oder per Computer gefertigtes Testament ist nicht gültig – dann tritt die normale gesetzliche Erbfolge ein. Rein privatschriftliche Testamente bergen manchmal Risiken, weil Fachbegriffe verwechselt oder juristisch unklare Formulierungen gewählt werden, welche auslegungsbedürftig sind.
Ein privatschriftliches Testament kann man zu Hause oder bei Bekannten aufbewahren – besser jedoch gegen eine geringe Gebühr beim Amtsgericht oder Notar, denn dann ist man auf der sicheren Seite und die Verfügung kann nicht unbefugt vernichtet werden.
Notariell (Paragraf 2232 BGB, Öffentliches Testament): Hier wird entweder das handschriftliche Testament übergeben oder der letzte Wille mündlich gegenüber dem Notar erklärt. Der Notar beurkundet die eigenhändigen Unterschriften und gibt das Testament automatisch in die amtliche Verwahrung.
Grundsätzlich zu beachten ist: Auch wenn viele es nicht gerne hören – wichtig ist bei einer gemeinsamen Testamentsgestaltung, den überlebenden Ehegatten nicht von der Großzügigkeit der Kinder abhängig zu machen. Was heute noch wie eitel Sonnenschein aussieht, kann morgen schon anders sein. Die Interessenslage von Kindern kann sich im Laufe der Jahre ändern. Haben sie selbst Familie, ist ihnen eventuell ihre eigene Lebenssituation wichtiger als die eines Elternteils.
Biallo-Tipp
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Die Bindungswirkung beachten
Im Ehegattentestament werden in der Regel wechselseitige Verfügungen getroffen, von denen man sich nur unter sehr engen Voraussetzungen lösen kann, da sie eine strenge Bindungswirkung entfalten. Setzen sich zum Beispiel beide gegenseitig als Erben ein, liegt eine solche wechselbezügliche Verfügung vor.
Bindende testamentarische Verfügungen gelten insbesondere für die Erbeinsetzung, das Vermächtnis oder Auflagen. In einem gemeinschaftlichen Testament haben Ehepartner also die Möglichkeit, ihre jeweiligen Anordnungen so miteinander zu verbinden, dass die einzelnen Anordnungen in ihrem Bestand voneinander abhängig sind. Widerruft ein Partner in der Folge solch eine sogenannte wechselbezügliche Verfügung oder erweist sich diese als nichtig, so verliert auch die mit dieser verknüpften Anordnung des anderen Ehepartners ihre Wirksamkeit.
Eine Lösung von dieser Bindungswirkung zu Lebzeiten ist nur möglich durch
- ein neues gemeinschaftliches Testament,
- einseitige Erklärung vor dem Notar (muss dem Partner auch mitgeteilt werden),
- Scheidung (Paragraf 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder
- bei grobem Undank durch einen der Ehepartner.
Hinweis: Einseitige, nicht wechselbezügliche Verfügungen, die in einem gemeinschaftlichen Testament enthalten sind, können auch einseitig von jedem Partner durch eine weitere testamentarische Verfügung widerrufen werden.
Mit dem Tod des anderen Ehegatten erlischt das Recht zum Widerruf. Das bedeutet im Klartext: Stehen in dem gemeinsamen Testament sogenannte wechselbezügliche Verfügungen– und das ist meistens der Fall – dann ist der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Ersten an das Testament gebunden und kann kein neues anderes Testament mehr machen– auch nicht in dem Fall, dass ihm die eingesetzten Erben nicht mehr passen.
Beispiel: Albert G. und seine Frau Anna verfassen ein Ehegattentestament. Da die beiden keine Kinder haben, setzen sie ihren gemeinsamen langjährigen Freund Peter H. als Schlusserben ein. Nach dem Tod von Anna kommt es immer öfter zum Streit zwischen den beiden Männern. Albert möchte das Testament daraufhin ändern. Er bekommt jedoch von einem Anwalt die betrübliche Auskunft, dass dies nicht mehr geht.
Diese absolute Bindungswirkung lässt sich umgehen, indem man dem überlebenden Partner eine Änderungsmöglichkeit einräumt. Damit darf der länger Lebende das Testament auch nach dem Tod des Partners modifizieren und kann dadurch flexibel auf unerwartete Situationen reagieren.
Aber dies birgt auch ein großes Risiko: Der Überlebende erhält dadurch auch die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, die nicht mehr im Sinn des Verstorbenen sind. Ansonsten kann sich der überlebende Ehepartner von dem Ehegattentestament nur dadurch lösen, indem er die Erbschaft ausschlägt. In diesem Fall tritt die gesetzliche Erbfolge ein.
- Biallo-Tipp: Bei einer Erbengemeinschaft gelten einige Rechten und Pflichten. Damit aus ihr keine Konfliktgemeinschaft wird, sollte immer eine gütliche Einigung der Erben angestrebt werden.
Risiken beim Berliner Testament
Am weitesten verbreitet ist das gemeinschaftliche Testament als sogenanntes "Berliner Testament". Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig und wechselbezüglich als Alleinerben ein.
Ziel ist hier die gegenseitige Bevorzugung des überlebenden Ehepartners. Dieser wird zunächst Vollerbe über den gesamten Nachlass. Meist werden die gemeinsamen Kinder oder andere erbberechtigte Verwandte dann als Schlusserben eingesetzt. Das bedeutet ganz konkret, dass die Kinder zunächst von der ersten Erbschaft ausgeschlossen werden.
Risiko "Steuerfalle"
Ein wesentliches Gestaltungsrisiko beim Modell des Berliner Testaments ist vor allem bei größeren Vermögen, dass die Kinder beim Ableben des ersten Ehegatten die Freibeträge nicht nutzen können. Diese würden ihnen zustehen, wenn sie gleich am ersten Erbe beteiligt wären – sie sind also verschenkt.
"Das Berliner Testament hat somit den erbschaftsteuerlichen Nachteil, dass zwei Erbfälle bis zum Vermögensübergang auf die nächste Generation entstehen, die im ungünstigen Fall jeweils erbschaftsteuerpflichtig sein können", sagt Agnes Fischl-Obermayer, Fachanwältin für Erbrecht und Steuerberaterin der Kanzlei Convocat aus München.
Nach dem Tod des überlebenden Elternteils können hohe Steuerlasten entstehen, weil nun die Kinder als Erben aufgrund der Addition des Wertes von eigenem und ererbtem Vermögen nach der Steuerprogression Erbschaftsteuer nach einem höheren Steuersatz zahlen müssen.
Somit kann diese Testamentsform sogar ungünstiger sein als die gesetzliche Erbfolge, weil dem ersten Erbfall eine höhere Steuerprogressionsstufe droht, in jedem Fall aber die Kinderfreibeträge in Höhe von jeweils 400.000 Euro pro Kind verschenkt werden.
Freibeträge für Erb- und Schenkungsfälle:
Betroffene Personen |
Steuer-klasse |
Allgem. Freibetrag |
Versorgungsfreibetrag* |
---|---|---|---|
Ehepartner |
I |
500.000 |
256.000 |
Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft |
I |
500.000 |
256.000 |
Kinder, Stief-, Adoptivkinder sowie Enkel, deren Eltern bereits verstorben sind |
I |
400.000 |
10.300 bis 52.000** |
Enkel, deren Eltern noch leben, Urenkel. |
I |
200.000 |
-- |
Nur bei Erbschaft: Eltern und Großeltern |
I |
100.000 |
-- |
Geschiedener Ehegatte, Geschwister, Neffe, Nichten, Schwieger-, Stiefeltern, Schwiegerkinder Nur bei Schenkung: Eltern / Großeltern |
II |
20.000 |
-- |
Verlobte, Lebensgefährten sowie alle übrigen |
III |
20.000 |
-- |
* = Die Versorgungsfreibeträge gelten nicht bei Schenkungen. Sie gelten im Erbfall nur in voller Höhe, wenn der/die Hinterbliebene keine weiteren Versorgungsbezüge, z. B. Witwen- oder Waisenrente, bekommt. Andernfalls wird der jeweilige Kapitalwert der Rente abgezogen. ** = Höhe ist abhängig vom Alter der Kinder: bis 5 J. = 52.000 €, 5-10 J. = 41.000 €, 10-15 J. = 30.700 €, 15-20 J. = 20.500, 20-27 J. = 10.300 €. |
|||
Weitere sachliche Freibeträge: Für den Erwerb von Hausrat durch Personen der Steuerklasse I beträgt der sachliche Freibetrag 41.000 Euro und von anderen beweglichen körperlichen Gegenständen, die nicht als Hausrat gelten, 12.000 Euro. Der sachliche Freibetrag für Hausrat und andere bewegliche körperliche Gegenstände beträgt beim Erwerb durch Personen der Steuerklassen II und III 12.000 Euro. |
Stand 01.10.2019; Quelle: Erbschaftssteuergesetz (ErbStG)
Beispiel für negative Auswirkungen: Ein Ehepaar hat zwei Kinder. Nach dem Tod des Mannes erbt die Ehefrau das gesamte Vermögen in Höhe von 1.000.000 Euro. Schlusserben sind die Kinder. Abzüglich ihres gesetzlichen Freibetrages von 500.000 Euro muss die Frau für die verbleibende Restsumme von 500.000 Euro Erbschaftsteuer zahlen. Hätten die beiden Kinder gleich mitgeerbt, wäre nicht ein Euro an den Fiskus gegangen. Einige Jahre später stirbt die Mutter und hinterlässt ebenfalls 1.000.000 Euro. Davon sind je Kind 400.000 Euro steuerfrei. Auf den Rest von 200.000 Euro erhebt der Staat abermals Steuern.
Grundsätzlich gilt, dass hier – je nach Vermögenslage – die Alleinerben kräftig draufzahlen. "Man sollte also keinesfalls versäumen, die mögliche Steuerlast berechnen zu lassen", empfiehlt Fischl-Obermayer.
Hier bietet es sich auch an, dass die Ehegatten im Testament Vermächtnisse anordnen, wonach die Kinder beim Tod des Erstversterbenden bereits jeweils einen bestimmten (steuersparenden) Betrag erhalten.
Alternativ kann man den Ehepartner schon vorher zum Miteigentümer des Vermögens oder der Immobilie machen – denn was er bereits besitzt, muss er nicht erst erben. Oder man kann den Kindern bereits zu Lebzeiten rechtzeitig etwas schenken.
- Biallo-Tipp: Sinnvoll kann auch eine Ausschlagung der Erbschaft sein, wenn sich die Familie einig ist und dadurch bezweckt wird, dass auch die nachfolgende Generation mit zum Zuge kommt und somit gleich die ihnen zustehenden Steuerfreibeträge geltend machen kann.
Erst nach Abzug der gesetzlichen Freibeträge und Verbindlichkeiten verlangt der Fiskus für die verbliebene Restsumme einer Erbschaft oder Schenkung dann Steuern.
Steuersätze bei Erbschaften und Schenkungen (in Prozent):
Zu versteuernder Wert bis EUR |
Steuerklasse I |
Steuerklasse II |
Steuerklasse III |
---|---|---|---|
75.000 |
7 |
15 |
30 |
300.000 |
11 |
20 |
30 |
600.000 |
15 |
25 |
30 |
6.000.000 |
19 |
30 |
30 |
13.000.000 |
23 |
35 |
50 |
26.000.000 |
27 |
40 |
50 |
Darüber... |
30 |
43 |
50 |
Stand: 01.10.2019, Quelle: Erbschaftssteuergesetz (ErbStG)
Risiko "Pflichtteilsproblematik"
Konfliktpotential birgt das Berliner Testament noch in einem weiteren Punkt. So können Pflichtteilsberechtigte, beispielsweise die gemeinsamen Kinder, beim Tode des erstverstorbenen Elternteils ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen. Dazu haben sie nach Kenntnis vom Erbfall drei Jahre lang Zeit.
Der Pflichtteilsanspruch ist immer ein Geldanspruch. "Kann also mit dem den Pflichtteil fordernden Kind keine Einigung erzielt werden, muss dieser Anspruch durch Zahlung eines Geldbetrags erfüllt werden", sagt Fachanwältin Fischl-Obermayer. Risiko: Bei einem geringen Geldvermögen wäre eine Kreditaufnahme oder gar der Verkauf einer Immobilie die Konsequenz. Sind die Vermögenswerte nicht flüssig, kann das sogar das Zerschlagen des gesamten Vermögens, zum Beispiel eines Unternehmens oder eines Familiensitzes, bedeuten.
Zur Absicherung des Ehegatten und um Streit zu vermeiden, ist es daher ratsam, vorher bei den Kindern für den Nachlass des erstverstorbenen Ehepartners einen notariellen Pflichtteilsverzicht einzuholen. "Sollten sich diese nicht darauf einlassen, besteht die Möglichkeit, eine Strafklausel einzufügen", rät Fischl-Obermayer. Diese bestimmt, dass ein Kind, das beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil verlangt, auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhält (Jastrow´sche Klausel).
Diese Klausel entfaltet eine gewisse Abschreckungswirkung. Mit dieser Pflichtteilsklausel werden die als Schlusserben eingesetzten Kinder quasi doch noch enterbt, wenn sie nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil verlangen. Dessen Einforderung lässt sich zwar damit nicht ausschließen, in der Regel werden die Abkömmlinge jedoch nicht den Pflichtteil der Erbenstellung vorziehen. Eine Garantie, dass Kinder damit ihren Pflichtteil nicht verlangen, ist aber auch mit dieser Formulierung nicht gegeben.
Formulierungsbeispiele für eine Pflichtteilsklausel:
- "Macht eines unserer Kinder nach dem Tod des Erststerbenden entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend und erhält es ihn auch, dann sind dieses Kind sowie dessen Kinder und Kindeskinder sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen."
oder:
- "Wenn einer unserer Abkömmlinge beim Tod des zuerst Versterbenden gegen den Willen des Längerlebenden den Pflichtteil verlangt, sollen er und seine Abkömmlinge auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten."
Pflichtteilsrechte können die gesamte Nachfolge-Konzeption hinfällig machen, so dass insbesondere dann qualifizierter juristischer Rat eingeholt werden muss, wenn Pflichtteilsansprüche minimiert werden sollen.
Besteht der Nachlass zum Beispiel nur aus einer selbstbewohnten Immobilie, und soll die Ehefrau diese Immobilie erhalten, so ist damit zu rechnen, dass die Kinder für den Fall, dass sie ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen, den Verkauf der Immobilie erzwingen würden. In diesem Fall wird es sich anbieten, den Kindern und der Ehefrau das Wohnhaus vermächtnisweise zu gleichen Teilen zuzuwenden und der Ehefrau ein lebenslanges Wohnrecht einzuräumen.
- Biallo-Tipp: Gelegentlich kann es aber auch ratsam sein, dass die für den ersten Todesfall enterbten Kinder in Übereinstimmung mit dem überlebenden Ehegatten ihre Pflichtteilsansprüche durchsetzen, um mögliche erbschaftsteuerliche Freibeträge auszuschöpfen.
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Risiko "Bindungsfalle"
Wie bereits erwähnt, schränkt ein Berliner Testament auch die weitere Handlungsfähigkeit des länger lebenden Ehegatten ein. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die sogenannte Wechselbezüglichkeit der Testamentsregelungen vorliegt.
Errichtet beispielsweise nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte ein neues Testament und benennt dort andere Personen als Erben, dann beginnt das Problem. "Es könnte nämlich sein, dass der überlebende Ehegatte in die Bindungsfalle getappt ist", warnt Carsten Walter, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg.
Zwar gilt im deutschen Erbrecht der Grundsatz der Testierfreiheit – das heißt, der Erblasser kann grundsätzlich frei über die Verteilung seines Nachlasses entscheiden. Die Testierfreiheit findet aber dort ihre Grenzen, wo sich der Einzelne – etwa in einem gemeinschaftlichen Testament – möglicherweise sogar ohne, dass ihm dies bewusst ist, bereits wirksam gebunden hat. Dann ist der länger lebende Ehepartner unter Umständen daran gehindert, zu einem späteren Zeitpunkt eine den geänderten Lebensverhältnissen entsprechende Regelung seines Nachlasses zu treffen.
Das hat auch wieder ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg bestätigt (Az.: 3 W 29/19). "Wechselbezügliche Verfügungen können zu Lebzeiten der Ehegatten einseitig nur durch notariell beurkundete Erklärung widerrufen werden", erläutert Anwalt Walter. Aber: "Mit dem Tod eines Ehegatten ist der andere Ehegatte daran gehindert, wechselbezügliche Verfügungen zu widerrufen oder abweichend hiervon letztwillig neu zu verfügen. Man spricht deshalb auch von der Bindungsfalle des Berliner Testaments."
Ist der überlebende Ehegatte in dem gemeinschaftlichen Testament nicht zu einer anderweitigen Verfügung ermächtigt worden, erlangt er seine Testierfreiheit nur dann zurück, wenn er das ihm Zugewendete, also die Erbschaft, ausschlägt.
Risiko "Wiederheirat"
Es kann vorkommen, dass die Witwe oder der Witwer nach dem Tod des Ehegatten wieder heiratet. Da der neue Ehepartner mit der Eheschließung dann erb- und pflichtteilsberechtigt am Nachlass der wiederverheirateten Witwe beziehungsweise Witwers wird, besteht für die im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben (im Regelfall die Kinder) die Gefahr, dass hierdurch Vermögen an den neuen Ehepartner abfließt und so der spätere Nachlass zu Lasten der Kinder geschmälert wird.
"Testierende Eheleute, die dies verhindern wollen, können in ihr Berliner Testament eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel aufnehmen", sagt der Münchner Rechtsanwalt Bernhard Klinger. Danach soll der Nachlass ganz oder teilweise bereits dann auf die Schlusserben übergehen, wenn der überlebende Ehegatte eine neue Ehe eingeht.
Ziel einer derartigen testamentarischen Anordnung ist es, das Eigenvermögen der Witwe beziehungsweise des Witwers vom Nachlass rechtlich zu trennen. "Dies hat zur Folge, dass der neue Ehepartner nur am Eigenvermögen und nicht auch am Nachlass Erb- oder Pflichtteilsrechte geltend machen kann", informiert Klinger.
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Notarkosten für ein gemeinschaftliches Testament
Die Notarkosten für ein Berliner Testament richten sich nach dem Nachlasswert. Die gesetzlich festgelegten Gebühren sind in der Tabelle B des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) einzusehen.
Dabei zeigt sich, dass ein Notar für ein Berliner Testament einen Gebührensatz von 2,0 ansetzt. Die Testatoren sollen sich die doppelte Gebühr für ein gemeinschaftliches Testament teilen, so dass jeder den Preis zahlt, den er auch bei einem einfachen Testament entrichten müsste.
Notarkosten für ein Berliner Testament (Auswahl):
Zu vererbendes Vermögen |
Gebühren* |
---|---|
50.000 Euro |
330 Euro |
200.000 Euro |
870 Euro |
500.000 Euro |
1.870 Euro |
1.000.000 Euro |
3.470 Euro |
1.500.000 Euro |
5.070 Euro |
*Die Notargebühren erhöhen sich noch um 19 % Mehrwertsteuer.
Stand: Oktober 2019
Außerdem fallen zusätzlich Gebühren für die Registrierung und Aufbewahrung des Dokumentes an. Hierfür sind Pauschalen von 15 Euro beim Zentralen Testamentsregister und 75 Euro beim Nachlassgericht zu entrichten.
Das richtige Testament zum richtigen Zeitpunkt
Trotz der zahlreichen Probleme, die ein Berliner Testament nach sich ziehen kann, muss man immer das oberste Gebot beachten: Das richtige Testament zum richtigen Zeitpunkt.
Beispielsweise das Testament des jungen Ehepaars mit kleinen Kindern, das sich gerade im Vermögensaufbau befindet und sich im künftigen Nachlass nicht nur Aktivvermögen befindet, sondern auch Passivvermögen – wie die die Kreditfinanzierung für das soeben erworbene Einfamilienhaus.
Dann sollte das Berliner Testament als Möglichkeit gesehen werden, dem überlebenden Ehegatten die optimale Absicherung aber auch die optimale Verfügungsbefugnis zu geben – und diese erhält er eben nur durch die gegenseitige Erbeinsetzung. Hier sollten die steuerlichen Aspekte tatsächlich in den Hintergrund treten.