Aktienverluste Steuer bei Insolvenzverfahren
Aktienverluste sind steuerlich nicht bereits dann realisiert, wenn über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Betroffene Aktionäre können ihre Wertverluste erst später geltend machen, entweder wenn sie die havarierte Aktie verkaufen, ihre Mitgliedschaftsrechte durch Löschung der AG im Handelsregister verlieren oder wenn das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt hat (BFH-Urteil vom 17. November 2020 (Az. VIII R 20/18).
Verliert ein Aktionär seine Aktien durch eine von der AG beschlossene Kapitalherabsetzung auf null in Verbindung mit einem Bezugsrechtsausschluss für die anschließende Kapitalerhöhung zur Sanierung der gestrauchelten Firma, sind die erlittenen Verluste ebenfalls absetzbar (BFH-Urteil vom 3. Dezember 2019 VIII R 34/16). Das reine Delisting von Aktien soll nach einer aktuellen Anweisung der Hamburger Senatsverwaltung für Finanzen vom 2. November 2020 (Az. S 2252 – 2020716) noch nicht zur Verlustrealisierung ausreichen.
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Verluste aus Knock-Out-Zertifikaten verrechnen
Sind Sie mit Ihren Knock-out-Zertifikaten auf die Bretter gegangen, können Sie die verlorene Investition mit anderen Kapitalerträgen verrechnen. Das hat der BFH entschieden (BFH-Urteil vom 20. November 2018, Az. VIII R 37/15). In einem weiteren Urteil vom 16. Juni 2020 (Az. VIII R 1/17) urteilte der BFH, dass sogenannte Wave-XXL-Papiere steuerlich als Optionsscheine einzustufen sind – erlittene Verluste werden damit steuerlich ebenfalls absetzbar. Bei dieser besonderen Spielart von Knock-Out-Zertifikaten wird dem Inhaber des Wertpapiers das Recht verbrieft während der – allein durch eine Stopp-Loss-Schwelle begrenzten – Laufzeit vom Emittenten einem Barausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Basispreis und dem aktuellen Wert des Basiswertes, vermindert um ein Bezugsverhältnis zu verlangen.
Totalverluste aus derartigen Knock-Out-Zertifikaten fallen zwar nicht unter die ab 2021 geltende gesetzliche Verlustbeschränkung für Termingeschäfte – beim Knock Out greift aber die seit 2020 bestehende Verlustverrechnung für Totalverluste aus Wertpapieren – erlittene Verluste sind nur bis zu 20.000 Euro jährlich verrechenbar, der Rest wird auf künftige Jahre vorgetragen. Nur wenn man die Papiere vor dem Knock Out mit Verlust aus dem Depot wirft, bleiben die roten Zahlen voll abziehbar.
Verluste aus Mittelstandsanleihen und Privatdarlehen
Die Finanzämter wollten Anlegerverluste aus dem Kauf von hochverzinsten Mittelstandsanleihen oder Kreditausfälle aus privaten Darlehensvergaben lange Zeit steuerlich überhaupt nicht akzeptieren. Sie beriefen sich dabei auf eine Anweisung aus dem Bundesfinanzministerium (BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016, BStBl. 2016 Teil I Seite 85, Textziffer 60). Doch solche Anweisungen binden nur die Finanzämter – für den einzelnen Steuerzahler sind sie nicht maßgeblich. Der BFH hat der in dem BMF-Schreiben vorgegebenen Verwaltungspraxis für Privatdarlehen bereits eine klare Absage erteilt (Urteil vom 24.Oktober 2017 Az. VIII R 13/15).
Die Finanzämter müssen nun bundesweit umdenken – das fällt einigen Ämtern aber sichtlich schwer. Ein offizielles Statement der Behörden zu der neuen Rechtslage für Verluste, die bis Ende 2019 entstanden sind, steht immer noch aus. Man beriet intern lieber jahrelang, wie man mit dem teuren Richterspruch umgehen möchte (Kurzinformation der OFD Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2018).
BFH-Urteil
Das BFH-Urteil wurde deshalb erst Ende 2020 – also über drei Jahre nach dem Urteil – amtlich veröffentlicht und ist erst seitdem für alle betroffenen Steuerzahler allgemein anwendbar. Teilweise weisen die Finanzämter entsprechende Anträge auf Verlustabzug aber immer noch zurück und verweisen darauf, dass der Richterspruch des BFH vom 24. Oktober 2017 eine Einzelfallentscheidung war. Das stimmt aber so nicht. Betroffene Steuerzahler sollten sich per Einspruch gegen den Steuerbescheid zur Wehr setzen und auf die mittlerweile klare Rechtslage verweisen.
Mittlerweile ist auch geklärt, zu welchem Zeitpunkt die Verluste aus privaten Darlehensvergaben steuerwirksam werden – für die Richter des BFH reicht es für die Verlustrealisation aus, wenn der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (Urteil des BFH vom 1. Juli 2021, Az. VIII R 28/18). Dass der Kreditausfall überhaupt steuerlich abziehbar ist, hatte zuvor schon das Finanzgericht Düsseldorf als Vorinstanz festgestellt (Urteil vom 18. Juli 2018 – Az. 7 K 3302/17 E). Mit Urteil vom 25. September 2018 hat das FG Düsseldorf entschieden, dass auch die Enteignung von Anleiheinhabern zu steuerlich abziehbaren Verlusten führen muss (Az. 13 K 93/16).