Bekleidungsketten wie Zara oder H&M locken ihre modebewussten Kunden mit bis zu 24 neuen Kollektionen pro Jahr in die Läden. Doch die schnell konsumierte Fast Fashion hat einen hohen Preis. Umweltverschmutzung, gigantischer Ressourcenverbrauch, menschenverachtende Arbeitsbedingungen und CO2-Emissionen, die mit jährlich 1.458 Millionen Tonnen höher sind als die des gesamten Flug- und Schiffsverkehrs vor der Corona-Krise – die Modebranche gilt mittlerweile als eines der ökologisch und moralisch schmutzigsten Geschäfte der Welt.
Das ist der Preis für die Produktion von jährlich über 100 Milliarden Kleidungsstücken, die eigentlich kaum jemand wirklich braucht. Allein in deutschen Schränken liegen nach einer Studie im Auftrag von Greenpeace zwei Milliarden davon herum, die so gut wie nie getragen werden. Doch möglicherweise findet durch die erzwungene Shopping-Pause während des Shutdowns in der Corona-Krise ein Umdenken statt. Das legt zumindest eine Umfrage der Boston Consulting Group nahe, nach der 35 Prozent der Konsumenten vermehrt Kleidung von Unternehmen kaufen wollen, die sich nachhaltig verhalten.
Fast Fashion: Problem, Ursachen und Folgen
Es gibt wohl kaum ein schlichteres Kleidungsstück als ein T-Shirt. Es braucht weder Knöpfe noch Reißverschluss, Futterstoff oder Kragen. Trotzdem reist es während seiner Herstellung vom Baumwollanbau bis in unsere Fußgängerzonen mit rund 18.000 Kilometern einmal um die halbe Welt.
Der Fußabdruck eines T-Shirts: Was Fast Fashion bedeutet
Dabei entstehen Treibhausgase in 50 facher Höhe des Eigengewichts: für 220 Gramm Stoff rund elf Kilogramm CO2. Für die Bewässerung der Baumwollfelder in regenarmen Gegenden wie Burkina Faso, Usbekistan oder Indien sowie die verschiedenen Verarbeitungsschritte wie das Reinigen und Färben verbraucht das unscheinbare T-Shirt durchschnittlich 2.495 Liter Wasser. Außerdem wird für die schädlingsanfällige, in Monokulturen angebaute Baumwolle ein Viertel der weltweit verbrauchten Pestizide eingesetzt. Das T-Shirt ist mit 150 Gramm dabei. Zum Färben und Veredeln der Fasern stehen 4.000 Farben und 7.500 Chemikalien zur Verfügung, die in den Produktionsländern Böden, Flüsse und Grundwasser belasten und Gesundheitsschäden verursachen können. Diese Zahlen belegen verschiedene Studien unter anderem des Entwicklungsministeriums.
Fast Fashion Arbeitsbedinungen
Doch damit nicht genug. Unser T-Shirt trägt noch mehr Ballast mit sich herum: die häufig menschenverachtenden Arbeitsbedingungen all jener, die es produzieren. Schichten von bis zu 15 Stunden an sechs bis sieben Tagen in der Woche, mangelnder Gesundheits- und Kündigungsschutz im Fall von Krankheit oder Schwangerschaft und Löhne, die weit unter dem Existenzminimum liegen, sind für die Mehrheit der rund 75 Millionen Textilarbeiter/innen normaler Alltag.
Bündnis für nachhaltige Textilien
Als am 24. April 2013 in Bangladesch das Fabrikgebäude Rana Plaza einstürzte, starben 1.129 Menschen, 2.500 wurden teils schwer verletzt. Die Reportagen und Bilder vom Unglücksort führten der ganzen Welt vor Augen, unter welchen Umständen unsere Kleidung dort produziert wurde. Für Bundesentwicklungsminister Gerd Müller war dies ein "Weckruf", der zur Gründung des Bündnisses für nachhaltige Textilien führte. Die mittlerweile 120 Mitglieder aus Wirtschaft, Gewerkschaften, NGOs, Verbänden und Politik setzen sich dafür ein, "die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten weltweit zu verbessern". So wurden in Asien 67 Millionen Euro in die Aus- und Fortbildung für Arbeitssicherheit, in Unfallversicherungen, Feuerwachen und Techniken zur Wassereinsparung investiert. Tiefgreifende Änderungen wird es aber nur geben, wenn die umsatzstarken Modeketten und -marken bei ihren Lieferanten soziale Standards durchsetzen, höhere Lohnkosten in Kauf nehmen, die Weitergabe von Aufträgen an unbekannte Subunternehmer verbieten und Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette übernehmen.
Nachhaltige Mode: Fair Kleidung produzieren
Es gibt auch Lichtblicke in der Modebranche: Nachdem Greenpeace jahrelang hohe Konzentrationen von Giftstoffen in den Abwässern der Textilfabriken nachgewiesen hatte, gründete die Organisation 2011 die Detox-Kampagne. Unternehmen, die sich ihr anschlossen, verpflichteten sich bis 2020 elf gefährliche Chemikalien-Gruppen aus der Produktion zu eliminieren. Bereits fünf Jahre später hatten der Zara-Mutterkonzern Inditex, H&M und Benetton dieses Ziel weitgehend erreicht. Die regelmäßigen Überprüfungen und Veröffentlichungen von Greenpeace über den aktuellen Stand führten weltweit immer wieder zu Protesten von Konsumenten beispielsweise vor Stores von Adidas und G-Star Raw.
Faire Kleidung herstellen
Inzwischen ist mit den 26 Textilherstellern rund um Prato in Italien eine ganze Region mit an Bord sowie 54 weitere Unternehmen darunter 19 Modefirmen, sieben Discounter, drei Outdoor-Marken und viele Textillieferanten. Gemeinsam stehen sie für 15 Prozent der globalen Textilproduktion. Das hat eine starke Signalwirkung auf die übrigen Wettbewerber und setzt zudem einen gewissen Automatismus in Gang. Denn hat eine Fabrik erst einmal gefährliche Chemikalien ausgemustert, wird sich daran auch für Aufträge von anderen, nicht an der Kampagne beteiligten Firmen nichts ändern.
Positive Entwicklung in der Modebranche
Für Bestrebungen in der Branche, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft aufzubauen, ein paar Beispiele:
- C&A: Der weltweit größte Abnehmer von zertifizierter Bio-Baumwolle, arbeitet mit der Initiative "Fashion for Good" an der Implementierung einer "Circular Fashion".
- H&M: Das schwedische Textilhandelsunternehmen fertigt bereits ein Drittel der Waren aus nachhaltig hergestellten Fasern, bis 2030 soll das auf das gesamte Sortiment ausgeweitet werden, unter anderem mit recycelten Fasern aus Altkleidern.
- Patagonia: Der Outdoor-Ausrüster verwendet bereits seit Anfang der 90er Jahre Recycling-Polyester, das aus Plastikflaschen, Stoffresten und Altkleidern gewonnen wird, und deckt damit mittlerweile 80 Prozent des Bedarfs.
- Esprit: Auch bei Esprit heißt es: "Wir möchten weg von einer linearen Wirtschaft und einer Wegwerfkultur. Und hin zu einer Kreislaufwirtschaft, in der wir respektvoll mit Rohstoffen umgehen." Bis 2025 sollen 90 Prozent der verarbeiteten Fasern nachhaltig sein.
- Adidas: Der Sportartikelhersteller brachte 2021 mit dem "Futurecraft.loop" den ersten komplett recycelfähigen Laufschuh auf den Markt. Er kann problemlos in seine Einzelteile zerlegt werden, aus denen ein neuer Performance-Schuh entsteht.
Fair Fashion: Mit nachhaltigen Fasern gegen Wegwerfware
Außerdem kommen derzeit – dank innovativem Forschergeist – immer neue nachhaltige Fasern auf den Markt. So gibt es:
- Taschen, Schuhe und Kleidung aus einem veganen "Fruchtleder", das aus Ananasblättern gefertigt wird,
- Viskose aus Meeresalgen, Eukalyptusholz ("Lyocell") oder zertifizierten Holzquellen ("EcoVero"),
- Fasern aus Rohmilch-Abfällen oder ausgemusterten Teppichen und Fischernetzen ("ECONYL").
Am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung arbeiten im Pilotprojekt "DiTex" Wissenschaftler und Partner aus der Wirtschaft daran, bei recycelten Fasern die gleiche Qualität wie bei Neuware zu erreichen. Eine erste Testphase mit Berufskleidung samt genauer Dokumentation der Lebensdauer ist bereits angelaufen.
Initiativen für mehr Ökologie und höhere Sozialstandards sind heute wichtiger denn je, "um auf dem Markt, der nach der Pandemie entstehen wird, wettbewerbsfähig zu sein. Während Nachhaltigkeit in einigen Bereichen der Branche in Gefahr ist, werden Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, auf der anderen Seite der Pandemie zu den Anführern einer wiederauflebenden Modeindustrie gehören.” Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Boston Consulting Group (BCG), Sustainable Apparel Coalition (SAC) und dem Technologieunternehmen Higg Co.
Nachhaltige Kleidung kaufen: Läden für Bio-Kleidung & Fair Fashion
Zwischen Kiel und Konstanz gibt es etwa 200 Läden für ausschließlich fair hergestellte Bio-Kleidung. Ihre Adressen findet man beispielsweise hier:
- Einkaufsratgeber Textilien von Greenpeace
- getchanged.net
- Femnet
- Naturtextil
- Buy good stuff
Außerdem haben viele Kommunen Führer zum nachhaltigen Einkauf herausgegeben. Darüber hinaus bieten auch große Handelshäuser wie Peek & Cloppenburg zunehmend faire Modemarken an wie etwa das Kölner Label Armed Angels oder Nudie-Jeans. Und auch Online haben sich eine große Anzahl an Shops und Plattformen von Avocadostore bis Zündstoff auf fair und ökologisch hergestellte Klamotten spezialisiert.