





Auf einen Blick
Manche Lebenssituationen bringen hohe Ausgaben mit sich – sei es durch Krankheit, Pflege, Behinderung, Katastrophen oder einen Trauerfall. Viele dieser finanziellen Belastungen erkennt das Finanzamt unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich an. Dafür gibt es ein eigenes Steuerformular für Ihre Steuererklärung: die Anlage Außergewöhnliche Belastungen. Welche Ausgaben Sie hier eintragen können, welche Pauschalen gelten und worauf Sie bei Nachweisen achten sollten, erfahren Sie in diesem Überblick.
Nicht jede private Ausgabe ist steuerlich absetzbar. Das Einkommensteuergesetz (§ 33 EStG) lässt aber Ausnahmen zu – bei außergewöhnlichen, unvermeidbaren Belastungen.
Sonderausgaben betreffen zum Beispiel Versicherungen oder Spenden – außergewöhnliche Belastungen dagegen entstehen meist durch persönliche Schicksalsschläge. Beide werden in eigenen Steuerformularen geltend gemacht.
Dazu zählen etwa:
Für Menschen mit Behinderung gelten erhöhte steuerliche Erleichterungen. Sie können wählen: Pauschbetrag oder tatsächliche Nachweise.
Seit 2021 gelten erhöhte Pauschbeträge bis zu 7.400 Euro – bereits ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 20. Die Pauschale wird als Jahresbetrag unabhängig vom Zeitpunkt der Feststellung voll gewährt. Als Nachweise gelten der Schwerbehindertenausweis oder der Bescheid des Versorgungsamts.
Pflegekosten und Behindertenpauschbetrag lassen sich leider nicht miteinander kombinieren. Hier müssen Sie selbst genau rechnen, ob sie mit dem Pauschbetrag oder einem Einzelnachweis der Kosten besser fahren.
Seit 2021 gibt es für behinderungsbedingte Fahrten einen Zusatzpauschbetrag zwischen 900 und 4.500 Euro (Zeilen 17–18 der Anlage). Ab einem Grad der Behinderung von 70 gibt es den Pauschalabzug ohne weiteren Nachweis automatisch.
Pflegebedürftige und deren Angehörige können große Teile der selbst getragenen Kosten steuerlich geltend machen. Absetzbar sind Kosten für stationäre oder häusliche Pflege, wenn sie durch Pflegebedürftigkeit, Krankheit oder Behinderung erforderlich sind.
Pflegeheimkosten sind absetzbar, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht (BMF-Schreiben v. 09.04.2019, IV C 3 - S 2345/19/10002). Altersbedingte Heimaufenthalte ohne Pflegegrad zählen nicht.
Das Finanzamt kürzt den Abzugsbetrag um eine sogenannte Haushaltsersparnis – 2025 liegt diese bei 11.604 Euro (Grundfreibetrag laut § 32a EStG).
Lebt bei Ehegatten nur einer im Pflegeheim, während der andere weiterhin in der gemeinsamen Wohnung lebt, dürfen die Finanzämter keine Haushaltsersparnis vom steuerlich abziehbaren Betrag abziehen.
Ein anhängiges BFH-Verfahren klärt, ob Unterkunftskosten in Pflege-WGs absetzbar sind (Az. VI R 40/20). Bis dahin sollten Betroffene Einspruch einlegen und auf das Verfahren verweisen.
Betroffene sollten die Kosten zunächst geltend machen. Streicht das Finanzamt die Ausgaben, legen Sie Einspruch gegen den Steuerbescheid ein und beantragen unter Verweis auf das anhängige Musterverfahren vor dem BFH ein „Ruhen des Verfahrens“. So profitieren Sie später ohne eigenes Klagerisiko von einem positiven Ausgang des Klageverfahrens.
Wenn Sie die Pflegeheimkosten für ein pflegebedürftiges Familienmitglied direkt selbst tragen, können Sie diese als außergewöhnliche Belastung steuerlich absetzen. Voraussetzung ist, dass Sie nicht dem Sozialamt bereits verauslagte Kosten erstatten (im Rahmen des sogenannten Elternunterhalts), sondern den Betrag direkt an das Pflegeheim überweisen.
Als Nachweise verlangt das Finanzamt in der Regel:
Auch die Kosten für ein Hausnotrufsystem können als haushaltsnahe Dienstleistung in der Steuererklärung geltend gemacht werden – selbst dann, wenn es außerhalb des betreuten Wohnens genutzt wird. Das hat das Sächsische Finanzgericht 2020 bestätigt. Bereits 2015 hatte der BFH die steuerliche Anerkennung innerhalb betreuter Wohnformen bejaht.
Viele Pflegebedürftige schöpfen ihre steuerlichen Möglichkeiten nicht vollständig aus. Denn durch die zumutbare Eigenbelastung bleiben Teile der Pflegekosten bei den außergewöhnlichen Belastungen oft wirkungslos.
Tragen Sie die Pflegekosten in Zeile 32 der Anlage Außergewöhnliche Belastungen ein. Für haushaltsnahe Dienstleistungen nutzen Sie die Zeilen 36 bis 38.
Pflegen Sie unentgeltlich eine Person mit mindestens Pflegegrad 2, steht Ihnen der Pflegepauschbetrag zu – gestaffelt nach Pflegegrad und ganz ohne Belege. Nutzen Sie zur Eintragung die Zeilen 11 bis 16 der Anlage Außergewöhnliche Belastungen.
Bis zu 1.800 Euro pro Jahr können Sie absetzen – auch ohne Nachweise, wenn Sie Angehörige unentgeltlich pflegen. Der Pflegepauschbetrag ist gestaffelt:
Pflegegrad | Pauschbetrag |
---|---|
Pflegegrad 2 | 600 € |
Pflegegrad 3 | 1.100 € |
Pflegegrad 4 oder 5 oder Merkzeichen „H“ | 1.800 € |
Pflegt man zwei Angehörige, wird der Pauschbetrag doppelt gewährt.
Das Pflegegeld der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherer bleibt dabei außen vor, wenn der pflegende Angehörige das Geld nachweislich nicht für sich behält, sondern nur treuhänderisch verwaltet, um zum Beispiel Pflegehilfsmittel oder eine zusätzliche familienfremde Pflegekraft zu finanzieren.
Der Pauschbetrag wird bei mehreren pflegenden Angehörigen anteilig aufgeteilt. Alternativ lassen sich tatsächliche Kosten absetzen – aber nicht beides gleichzeitig.
Der Pauschbetrag gilt auch bei Wochenendpflege oder kurzzeitiger Unterstützung – Hauptsache, die Pflege erfolgt regelmäßig.
Der Pflegepauschbetrag wird unabhängig vom Einkommen gewährt und nicht durch die zumutbare Eigenbelastung gekürzt – das unterscheidet ihn von vielen anderen außergewöhnlichen Belastungen.
Arztkosten, Medikamente, Hilfsmittel – viele dieser Aufwendungen sind absetzbar, wenn sie medizinisch notwendig sind.
Wenn sie ärztlich verordnet wurden, zählen Kosten für:
Belege müssen Sie nur einreichen, wenn das Finanzamt sie anfordert. Halten Sie alle Verordnungen und Rechnungen griffbereit.
Erstattungen von anderer Seite, Beihilfen und Versicherungsleistungen müssen angegeben werden – unter dem Strich bieten damit nur die selbst getragenen Aufwendungen Steuersparpotential.
Umbaukosten fürs Eigenheim oder die Mietwohnung erkennt das Finanzamt an, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht.
Folgende Umbauten wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder Behinderung können zum Beispiel abgesetzt werden:
Alles, was der Pflegegrad erforderlich macht, ist grundsätzlich absetzbar (BFH, Az. VI R 16/10). Aber: Nur das Jahr der Zahlung zählt. Eine Verteilung über mehrere Jahre ist nicht möglich.
Handwerkerkosten können alternativ über die Anlage Haushaltsnahe Dienstleistungen geltend gemacht werden. In Höhe von 20 Prozent, maximal 1.200 Euro. Voraussetzung ist die Vorlage einer Rechnung und eines Zahlungsnachweises von der Bank. Bei Barzahlung entfällt der Steuervorteil nach einem Urteil des BFH vom 20. November 2008 (Az. VI R 14/08). Steuerersparnisse bringen zudem nur die Lohn- und Fahrtkosten des Handwerkers. Nicht förderfähige Materialkosten müssen deshalb auf der Rechnung getrennt ausgewiesen werden.
Wer durch Naturgewalten (Katastrophen, Brände, etc.) betroffen ist, kann Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen absetzen, zum Beispiel für Ersatzbeschaffung von Hausrat.
Bei Katastrophenschäden zeigen sich die Finanzämter großzügig – sofern keine Versicherungsleistungen greifen. Ist Ihr Haus durch Sturm, Hochwasser oder Brand beschädigt? Dann können Sie Reparaturkosten sowie Ersatzbeschaffungen von Kleidung und Hausrat ohne einen Versicherungsschutz nachzuweisen steuerlich absetzen.
Seit 2013 können Prozesskosten wie Scheidungs- oder Zivilverfahren grundsätzlich nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden. Dies stützt sich auf eine gesetzliche Änderung (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Nur Kosten, die Ihre persönliche zumutbare Belastungsgrenze überschreiten, mindern Ihre Steuerlast.
Diese Grenze richtet sich nach Ihrem Einkommen, Familienstand und der Zahl der Kinder und liegt zwischen einem und sieben Prozent Ihrer Einkünfte¹. Das Finanzamt berücksichtigt automatisch nur den Teil Ihrer Ausgaben, der über dieser Schwelle liegt.
Die folgende Tabelle zeigt, wie viel Prozent Ihrer Einkünfte Sie als Eigenanteil selbst tragen müssen, bevor außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden:
Gesamtbetrag der Einkünfte¹ | Ledige ohne Kinder | Verheiratete ohne Kinder | Mit bis zu 2 Kindern | Mit 3 oder mehr Kindern |
---|---|---|---|---|
bis 15.340 € | 5 % | 4 % | 2 % | 1 % |
bis 51.130 € | 6 % | 5 % | 3 % | 1 % |
über 51.130 € | 7 % | 6 % | 4 % | 2 % |
Wer die Ausgaben in einem Jahr bündelt, nimmt die Selbstkostenhürde einfacher und wird mit Steuervorteilen belohnt.
Leisten Sie finanzielle Unterstützung für volljährige Kinder im Studium, können Sie diese bei Ihrer Steuer geltend machen. Sie können Unterstützungsleistungen von bis zu 10.908 Euro jährlich plus Versicherungsbeiträge absetzen, sofern keine eigenen Einkünfte des Kindes vorliegen.
Die Anlage Außergewöhnliche Belastungen bietet viel Potenzial zur Steuerersparnis – vorausgesetzt, Sie kennen die Regeln, Pauschalen und Fallstricke. Lassen Sie auch scheinbar kleine Ausgaben nicht ungenutzt – die Summe kann sich lohnen.